117 Frauen wurden 2019 von (Ex-)Partnern getötet. Tatwerkzeuge oder betroffene Kinder tauchen jedoch in keiner Statistik auf. Kristina Wolff hat eine eigene Datenbank angelegt.
Heute ist der sogenannte "Orange Day 2020", der "Internationale Tag gegen Gewalt an Frauen". Fast 142.000 Menschen in Deutschland wurden 2019 Opfer von Gewalt in einer Partnerschaft, die meisten sind Frauen.
Die Bundesregierung möchte nicht von "Femiziden" sprechen. Sie erhebt keine Zahlen zu Frauen, die wegen ihres Geschlechts umgebracht wurden. In der Polizeilichen Kriminalstatistik werden sie lediglich als Opfer von Tötungsdelikten erfasst. Waren Kinder Zeug*innen des Mordes? Welche Tatwaffen wurden verwendet? Der Bund kann das nicht beantworten, die Wissenschaftlerin und Aktivistin Kristina Wolff schon.
Zwei Jahre lang hat sie selbst Femizide erfasst und ausgewertet - mit Hilfe von Presse- und Polizeimeldungen. Die Ergebnisse beinhalten erstmals genauere Umstände der Tat sowie Femizide, die von deutschen Staatsbürgern im Ausland begangen wurden. Hinzu kommen auch die Fälle von Frauen, die Opfer von Rasern wurden. Wolff sieht das als geschlechtsspezifische, ursächlich männliche Art der Gewalt an.
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So zählt sie 173 Femizide für das vergangene Jahr. Die meisten davon in Nordrhein-Westfalen, gefolgt von Baden-Württemberg und Niedersachsen. Oftmals geschehe partnerschaftliche Gewalt im Privaten, im Verborgenen, sagt Holger Münch, Präsident des BKA. Tatort häufig: der gemeinsame Haushalt.
Kinder oft Zeuge oder Zeugin der Tat
Ein Großteil der Frauen wurde laut Wolffs Auswertung erstochen. In rund 42 Prozent der Fälle waren erwachsene oder minderjährige Kinder Zeuge oder Zeugin des Todes der Mutter oder fanden sie nach der Tat. Wer in der Kindheit Gewalt erlebt, wird später häufig selbst Täter oder Täterin. Aus Sicht von Wolff müsse man daher schon bei Kleinkindern anfangen, Anti-Aggressionstrainings in den Bildungsweg einzubringen.
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Wenn häusliche Gewalt eskaliertHäusliche Gewalt ist ein Kontroll-System aus Demütigungen, Drohungen und körperlicher Gewalt. Auch mit tödlichem Ausgang: 2019 traf es in Deutschland 117 Frauen.
Seit dem 1. Februar 2018 ist die sogenannte Istanbul-Konvention ein Bundesgesetz. Sie soll Frauen besser vor Gewalt schützen. Wie Wolff kritisiert auch Martin Modlinger, dass man deren Erfüllung schuldig bleibe. 317 Anfragen hat das Vorstandsmitglied der Stiftung für Erneuerbare Freiheit an Staatsanwaltschaften und Gerichte in ganz Deutschland gesandt, um zu überprüfen, ob die Konvention im Prozessalltag tatsächlich umgesetzt wird.
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Istanbul-Konventionen bei Gerichten wenig bekannt
"Die Istanbul-Konvention habe ich nie gesehen, davon habe ich nie gehört und erst recht bin ich dazu nie geschult worden", lautet eine der Antworten. Eine andere: "Ich sehe in der Istanbul-Konvention keinen Handlungsauftrag, schon gar keine Handlungsermächtigung. Es ist nicht mittelbar geltendes Recht."
Leonie Steinl ist Vorsitzende der Strafrechtskommission des Deutschen Juristinnenbundes. Sie sagt, es sei ein Problem, dass die Konvention in Deutschland - auch bei Staatsanwaltschaften und Gerichten - noch relativ unbekannt sei.
Der Juristinnenbund fordere schon seit langem eine Fortbildungsverpflichtung für Polizei, Staatsanwaltschaft und Justiz zum Thema geschlechtsbezogene Gewalt, die sich mit den Vorgaben der Istanbul-Konvention auseinandersetzte, so Steinl weiter. 2019 bot die Deutsche Akademie jedoch nur drei Fortbildungen zu dem Thema an.
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Gelder für Maßnahmen gegen Gewalt an Frauen gekürzt
Eine Studie der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus Senftenberg beziffert 2017 den ökonomischen Schaden, der durch häusliche Gewalt entsteht, auf 3,8 Milliarden Euro pro Jahr. Die Regierung hat die Mittel für Maßnahmen gegen Gewalt an Frauen 2020 auf fünf Millionen Euro eingekürzt. Die gleiche Summe ist auch für 2021 eingeplant. Es sei aberwitzig, einen so großen Schaden mit einem so kleinen Etat angehen zu wollen, sagt Wolff.
Eine konsequente Umsetzung der Istanbul-Konvention, mehr Geld für den Kampf gegen Frauenmorde also - aus Wolffs Sicht ist außerdem einer der wichtigsten Aspekte, die deutsche Wirtschaft dabei einzubinden. "Die Ausfälle durch Langzeitschäden sind so exorbitant, dass sich deutsche Unternehmen Gedanken darüber machen müssen, was sie für Einbußen dadurch haben, dass sie dieses Thema ignorieren. Gerade Konzerne haben sehr viele Möglichkeiten, schützend und stützend einzugreifen. Da liegt unglaublich viel Potenzial brach", sagt sie.
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