Könnten toxische Algen zum Fischsterben in der Oder geführt haben? Behörden und Forscher sind auf der Suche nach der Nadel im Heuhaufen. Was wir derzeit wissen und was nicht.
Mehr als eine Woche nach Bekanntwerden des massenhaften Fischsterbens in der Oder ist die Ursache für die größte Umweltkatastrophe in Brandenburg seit Jahrzehnten noch unklar. Das Landesamt für Umwelt und Forschungsinstitute untersuchen mit Hochdruck Wasser und Fische. Mittlerweile gibt es verschiedene Erklärungen zum Sterben der vielen Fische.
Algen als eine Ursache für das Fischsterben?
Eine giftige Algenart könnte Wissenschaftlern zufolge ein entscheidender Faktor für das Fischsterben sein. Ein Forscher des Berliner Leibniz-Instituts für Gewässerökologie und Binnenfischerei identifizierte die toxische Art als Mikroalge mit dem Namen Prymnesium parvum. Nach Worten des Gewässerökologen Christian Wolter ist sie bekannt dafür, dass sie gelegentlich zu Fischsterben führt.
Das bestätigt auch Jörg Oehlmann, Leiter der Abteilung Aquatische Ökotoxikologie an der Goethe-Universität Frankfurt. Nachgewiesen ist aber noch nicht, dass das Gift der Alge Grund für das Fischsterben ist, nur ihre Massenentwicklung ist bewiesen.
Warum gibt es plötzlich so viele Algen in der Oder?
Die Algenart Prymnesium parvum kommt laut der Forscher eigentlich ausschließlich im Brackwasser vor. Sie benötigt erhöhte Salzgehalte, die es auf der betroffenen Oderstrecke normalerweise nicht gibt. An der offiziellen Messstation des Landesamts für Umwelt in Frankfurt an der Oder wurden aber rund zwei Wochen massiv erhöhte, unnatürliche Salzfrachten gemessen, die laut der Forscher ihren Ursprung stromaufwärts haben müssen.
Das Massenwachstum der Algen bewirkte den Wissenschaftlern zufolge auch deutlich erhöhte Messwerte bei Sauerstoff, PH und Chlorophyll. Im oberen Teil der Oder befinden sich viele Staustufen. Dort gibt es wegen des Niedrigwassers momentan kaum Wasseraustausch.
Welche anderen Umwelteinflüsse kommen dazu?
Der Klimawandel stresst das sensible Ökosystem. Für die Forscher des Berliner Leibniz-Instituts für Gewässerökologie und Binnenfischerei kommen dabei mehrere schädliche Faktoren zusammen. Dürrephasen und viel zu niedrige Pegel, geringe Sauerstoffwerte und viel zu hohe Wassertemperaturen erhöhen als "menschengemachte" Probleme: Das Risiko für Umweltkatastrophen, sagen sie.
Bei Niedrigwasser etwa würden schädliche Substanzen in viel geringerem Wasservolumen transportiert. Dieser Extremzustand stresst die Fische. Kommen zur bestehenden Belastung weitere Gefahren wie toxische Algenblüten oder chemische Verunreinigungen hinzu, kann das ganze Ökosysteme in Gewässern vernichten, sagt etwa der Forscher Jörg Oehlmann.
Warum ist die Ursachenforschung so schwierig?
Das Landeslabor Berlin-Brandenburg (LLBB) untersucht weiterhin Wasserproben verschiedener Tage und Messpunkte sowie Fische. Nach Angaben des Brandenburger Umweltministeriums gestaltet sich die Suche nach der Ursache für das Fischsterben auch schwierig, weil Informationen von polnischer Seite fehlen, etwa zu eventuellen Einleitungen oder konkreten Anlässen für die Umweltkatastrophe.
Forscher sagen, die Ursachenforschung zu der Katastrophe durch Analyse der Stoffe in der Oder sei eine wahre Sisyphusarbeit, da etwa 350.000 Substanzen potenziell in einer Wasserprobe vorhanden sein könnten - und auch eine ausführliche Diagnostik nie alle abdecke. Die Untersuchung könne Wochen dauern, so der Ökotoxikologe Oehlmann.
- Warum das Rätsel so schwer zu lösen ist
Tonnenweise toter Fisch in der Oder und noch immer ist die Ursache nicht geklärt. Der Grund: Bei hunderten Möglichkeiten ist das die Suche nach der Nadel im Heuhaufen.
Wie kommt die Suche nach Verantwortlichen voran?
Die polnische Regierung geht von einem Umweltsünder aus:
Ermittler überprüfen derzeit auch Industriebetriebe, die in der Nähe des Flusses liegen. Experten wie der Chemie-Professor Marcin Drag von der Fachhochschule in Wroclaw (Breslau) vermuten aufgrund des hohen Salzgehaltes, dass der Fluss mit Einleitungen aus dem schlesischen Bergbau verseucht wurde.