Rund 36 Tonnen verendete Fische in der Oder in Deutschland, fast 100 Tonnen in Polen. Die Tourismusbranche ist besorgt, auch mit Blick auf den Mündungsbereich vor der Ostsee.
Erstmals gibt es nach der Umweltkatastrophe in der Oder offizielle Angaben zum bisherigen Ausmaß des Fischsterbens in Deutschland: Nach Schätzungen sind dort bereits rund 36 Tonnen verendete Fische gefunden worden, wie das Bundesumweltministerium am Mittwoch unter Berufung auf Helfer und Landkreise in Brandenburg mitteilte. Die Ursache hingegen ist nach wie vor unklar.
Allein in Polen hatte die Feuerwehr nach eigenen Angaben bis Dienstag fast 100 Tonnen tote Fische aus dem Grenzfluss und einem kleineren Fluss geborgen. Und während freiwillige Helfer mit Gummistiefeln, Anzügen, Handschuhen und Schutzbrillen Fisch für Fisch aus der Oder ziehen, fürchten die betroffenen Regionen gravierende Folgen für den lokalen Tourismus.
Tourismusbranche wegen Oder-Katastrophe besorgt
Es gebe viel weniger Tagesausflüge und auch Menschen, die Reisen auf dem Oder-Neiße-Radweg noch nicht fest geplant hätten, nähmen gegenwärtig davon Abstand, sagte die Geschäftsführerin des Tourismusverbandes Seenland Oder-Spree, Ellen Russig, der Deutschen Presse-Agentur.
Bei der Tourist-Information Oderbruch und Lebuser Land stehen seit Bekanntwerden der Umweltkatastrophe die Telefone nicht mehr still, wie die Leiterin Angelika Fuchs berichtete. Zahlreiche Menschen, die Ausflüge geplant haben, erkundigten sich nach der Lage und ob es an der Oder gefährlich sei. Es gebe aber auch eine große Solidarität. "Ganz, ganz viele Menschen machen sich Gedanken und fragen, wie sie helfen können."
Landesregierung Schwerin rät vom Baden im Stettiner Haff ab
Die Blicke richten sich mehr und mehr auf den Mündungsbereich vor der Ostsee. Man setze alles daran, dass kein toter Fisch im Stettiner Haff ankomme, sagte der Umweltminister von Mecklenburg-Vorpommern, Till Backhaus (SPD). Mit Stand Dienstag seien im deutschen Teil des Haffs keine toten Fische gesichtet worden. Die Oder fließt in das Stettiner Haff, durch das die Grenze von Deutschland und Polen verläuft, und von dort aus in die Ostsee.
Die Landesregierung in Schwerin rät vorsichtshalber vom Baden im Stettiner Haff ab. Gesundheitliche Risiken könnten bislang nicht ausgeschlossen werden. Auch vom Angeln, Fischen und der Wasserentnahme haben Behörden abgeraten.
Südlich der Hafenstadt Stettin sind mittlerweile nach Angaben polnischer Behörden in Kanälen, die mit der Oder verbunden sind, tote Fische gefunden worden. Dies bedeute, dass sich die verseuchten Wassermassen auf Stettin zubewegten, sagte der Chef der Gebietsadministration für die Woiwodschaft Westpommern, Zbigniew Bogucki, am Dienstag.
"Beste Badebedingungen" für Ostsee, Warnung für Haff
Der Landkreis Vorpommern-Greifswald sieht trotz des Fischsterbens für das Baden in der Ostsee keine Gefahr.
Der Landkreis sei von der Situation in der Oder bis zum jetzigen Zeitpunkt nicht betroffen, hieß es in einer Mitteilung. Dennoch warnt der Landkreis weiterhin, das Wasser des deutschen Teils des Stettiner Haffs zu nutzen.
Ursache für Fischsterben weiter unklar - mehrere Hypothesen
Die Ursache für die Umweltkatastrophe ist weiter offen. Am Mittwoch hatten Forschende weiter auch eine giftige Algenart im Blick, die sich im Fluss rasant entwickelt habe. Mittlerweile sei die Mikroalge mit dem Namen Prymnesium parvum identifiziert worden, sagte der Gewässerökologe Christian Wolter der Deutschen Presse-Agentur. Unklar sei, ob das Toxin der Alge der Grund für das Fischsterben in der Oder sei.
Bei den Untersuchungen würden derzeit drei Hypothesen in Betracht gezogen:
- Die erste Hypothese: Möglicherweise ist ein giftiger Stoff ins Wasser eingedrungen, entweder beim Produktionsprozess in einem an der Oder ansässigen Industriebetrieb oder durch eine illegale Einleitung in den Fluss.
- Die zweite Hypothese: Die Ursachen könnten auch natürlicher Natur sein: hohe Temperaturen, niedrige Wasserstände und erhöhte Schadstoffkonzentrationen.
- Die dritte Hypothese: Die Einleitung einer großen Menge chlorhaltigen Brauchwassers in die Oder.
Eine einzelne Ursache für die Umweltkatastrophe lasse sich nicht erkennen, so das Brandenburger Landesumweltamt, das bereits am Montag erste Laborergebnisse ausgewertet hatte.