Auf den Kanaren kommen weiterhin Migranten an. Dort treffen sie auf defensive Behörden und eine zwiegespaltene Bevölkerung.
Die Strände von Gran Canaria sind weitgehend leer, schon seit vielen Monaten. Auf einigen Bänken der Uferpromenade sitzen junge Männer, Marokkaner, Senegalesen. Seitdem die Mittelmeeroute stärker kontrolliert wird, wählen viele Migranten den weitaus gefährlicheren Weg über den Atlantik: 23.000 waren es 2020, so viele wie seit Jahren nicht mehr.
Und auch in diesem Jahr sind schon mehr als 2.500 Menschen mit ihren kaum hochseetauglichen Booten auf den Kanarischen Inseln gestrandet, in der Hoffnung auf ein besseres Leben in Europa.
Mitten in der Pandemie bahnt sich auf den Kanaren eine weitere Krise an: eine Flüchtlingskrise. Tausende Menschen aus Afrika landen dort - nach einer gefährlichen Flucht.
Keine Weiterreise auf Spaniens Festland
Doch nun sitzen sie fest. Es häufen sich die Berichte darüber, dass die Flüchtlinge durch das spanische Innenministerium an der Weiterreise mit selbst gekauften Flugtickets Richtung Festland gehindert werden. Gleichzeitig erschwert ihnen das Migrationsministerium den Zugang zu Anwälten.
Spanien setzt auf eine zügige Abschiebung: vier Flüge pro Woche in die Westsahara, mit je 20 Passagieren. Und nun beginnen auch Rückführungen in den Senegal. Ein Abkommen mit Mauretanien erlaubt zudem, all jene dorthin zurückzuschicken, die durch mauretanisches Gebiet oder Gewässer gereist sind.
- EU-Kommission setzt auf rigorose Abschiebung
Die EU-Kommission setzt bei ihrer Reform der Flüchtlingspolitik auf rigorosere Abschiebungen.
Schlechte Zustände in Flüchtlingslagern
Julio Batista, einer der den Migranten von den Behörden zugeteilten Anwälte, hat dazu eine Vermutung:
Batista sagt zudem, dass es lange keine Corona-Schutzmaßnahmen für ihn und seine Kollegen gab. Besuche daher nicht stattfinden konnten.
Und mitunter sprach ein Übersetzer gleich für eine ganze Gruppe von Menschen, statt für jeden einzelnen. Der Priester Antonio Vieira berichtet über schlimme Zustände in den Aufnahmelagern. Bewohner berichten ihm, dass dort stinkendes Wasser über den Boden rinne, das Essen sei schlecht, und die Corona-Regeln würden nicht eingehalten.
Einige Migranten fliehen aus den Camps oder werden rausgeschmissen. Der Priester hilft ihnen, über die Runden zu kommen. Mehr als 60 junge Marokkaner verbringen derzeit Tag und Nacht auf den Straßen Gran Canarias. Menschen, die eine Zukunft suchen und sich an einem Ort wiederfinden, an dem sie genauso wenig sein wollen, wie sie erwünscht sind.
Sorge um das Image der Urlaubsinsel
Immer wieder gibt es Demonstrationen auf der Insel, die vom Tourismus abhängig ist und eine Arbeitslosenquote von mehr als 25 Prozent aufweist. In ihrer Nachbarschaft wurden in den vergangen Wochen Flüchtlingscamps errichtet, die Inselbewohner wurden in die Entscheidung nicht eingebunden.
- Bedford-Strohm: "Bis das Problem gelöst ist"
Das "Kirchenschiff" Sea-Watch 4 ist ab heute das einzige zivile Schiff, das Menschen im Mittelmeer rettet. Und zwar solange, so Bischof Bedford-Strohm, bis das Problem gelöst ist.
Die Situation ist sehr angespannt, eine Mischung aus Perspektivlosigkeit, Armut, Vorurteilen. Nachdem einige Migranten mit staatlichen Geldern übergangsweise in leeren Hotels untergebracht wurden, droht die Bürgermeisterin von Mogán im Süden der Insel nun mit Strafen für die Hotelbetreiber.
Private Nothilfe für Geflüchtete
Das Bild von Flüchtlingen in Touristenorten könne Urlauber abschrecken, so ihre Befürchtung. Ein Hotelier-Paar auf der Insel setzt sich über das Verbot hinweg. Unn Saetran und Calvin Lucock beherbergen in ihrem Hotel 40 Migranten, verpflegen und umsorgen sie. Als Teil des Freiwilligenprojekts "Somos Red" geben sie zudem denen, die auf der Straße leben, Essen, Decken und einen Familienersatz.
Saetran fügt hinzu: "Corona hat Europa zu Grunde gerichtet. Stell dir vor, was es mit den Menschen gemacht hat, die schon davor nichts hatten".
Die Autorin ist Mitarbeiterin des ZDF-Studio Südwesteuropa.