Hinweise verdichten sich, dass durch frühe Warnungen Menschen im Ahrtal hätten gerettet werden können. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen zwei Mitglieder aus dem Krisenstab.
Die Staatsanwaltschaft Koblenz hat Ermittlungen gegen den Landrat des Landkreises Ahrweiler, Jürgen Pföhler (CDU), und ein weiteres Mitglied des Krisenstabs wegen der Flutkatastrophe vor rund drei Wochen aufgenommen.
Gegen die Beschuldigten bestehe unter anderem der Anfangsverdacht der fahrlässigen Tötung und fahrlässigen Körperverletzung durch Unterlassen, teilte die Staatsanwaltschaft in Koblenz mit.
Hinweise auf verspätete Warnung
Konkret will die Staatsanwaltschaft prüfen, ob durch frühere Warnungen und Evakuierungsmaßnahmen, Menschen gerettet hätten werden können. Es gebe erste Anzeichen, dass die Alarmketten "lückenhaft" waren, sagte der Leiter der Staatsanwaltschaft, Harald Kruse.
Kruse gab bekannt, dass bereits am Mittag der Krisenstab des Landkreises Ahrweiler durchsucht wurde, "um dort die Unterlagen zu den Hochwassertagen und die verwendeten Kommunikationsmittel sicherzustellen." Die Staatsanwaltschaft werde jetzt die Hochwassertage rekonstruieren, um zu schauen, inwiefern die Katastrophe ein "unabwendbares Schicksal" war.
Bewohner hätten spätestens um 20:30 Uhr gewarnt werden müssen
Fakt sei, dass das Hochwasser gegen 17 Uhr bereits das rheinland-pfälzische Schuld erreicht hätte, gegen 2:30 Uhr in der Nacht dann Sinzig, wo unter anderem in einer Einrichtung der Caritas zwölf Menschen verstarben. "Dazwischen lagen rund neun Stunden in denen sich die Flutlage fortlaufend verschlechtert" hatte und auch die die Pegel "keine Entspannung, sondern deutliche Verschlechterung" erwarten ließen, so Kruse.
Bei früheren Warnungen und Evakuierungsanordnungen hätten die Menschen in der Einrichtung mutmaßlich gerettet werden können, teilte Kruse mit. Hinweise würden darauf hindeuten, dass die noch nicht von der Flutwelle betroffenen Bewohner des Ahrtals am 14. Juli spätestens um 20.30 Uhr hätten gewarnt und in Sicherheit gebracht werden müssen.
Dies soll laut Anfangsverdacht nicht in der gebotenen Deutlichkeit oder erst verspätet geschehen sein. So hätte die Katwarn-App erst ab 23:09 Alarm geschlagen. Ob die Nina-App gewarnt hat, müsse noch überprüft werden, so Kruse.
Alleinige Entscheidungsgewalt wohl ab 17:40 bei Landrat
Quelle: dpa
Inwiefern ein Ausfall des Mobilfunknetzes und Stroms Warnungen verhindert, und die Krisenkommunikation erschwert haben, würde geprüft. Landrat Pföhler soll sich zu der Zeit nicht in der Kreisverwaltung aufgehalten haben, aber die Eisatzkräfte delegiert haben, wie er der Staatsanwaltschaft mitteilte.
Nach den Regeln des Landesbrand- und Katastrophenschutzgesetzes Rheinland-Pfalz soll er die Einsatzleitung ab 17:40 Uhr (Warnstufe 4) inne und daher die alleinige Entscheidungsgewalt gehabt haben.
141 Menschen bei Flutkatastrophe gestorben
Extremer Starkregen hatte am 14. und 15. Juli an der Ahr im Norden von Rheinland-Pfalz eine Flutwelle ausgelöst und weite Teile des Tals unter Wasser gesetzt. Drei Wochen nach der verheerenden Flutkatastrophe werden immer noch 16 Menschen in Rheinland-Pfalz vermisst.
Von 141 Fluttoten seien bisher 121 identifiziert worden, sagte ein Sprecher der Polizei Koblenz am Donnerstag in Bad Neuenahr-Ahrweiler. Die Einsatzleitung zählte insgesamt 766 Verletzte. Eine Auswertung habe ergeben, dass die getöteten Menschen überwiegend ahrabwärts schwerpunktmäßig in Bad Neuenahr-Ahrweiler gestorben seien, teilte die Staatswaltschaft mit.