Auch in Deutschlands Biergärten und Gaststätten herrscht EM-Fieber. Aber: Einander in die Arme fallen ist diesmal nicht erlaubt. So sieht Corona-konformes Public Viewing aus.
Es sieht alles aus wie früher, im Biergarten am Aachener Weiher in Köln: Bunte Fähnchen bewegen sich im Wind, zwischen den Bierbänken stehen in regelmäßigen Abständen Bildschirme auf Stativen, auf dem Dach des Biergartens ist eine große Deutschland-Flagge drapiert.
Dann, auf den zweiten Blick, fallen die Abstände auf: Die Biertische sind weiter auseinandergerückt als sonst, Schilder erinnern bei Aufstehen an die Maskenpflicht, und ein großer blickdichter Zaun fällt ins Auge, der den Biergarten umgibt.
Public Viewing: Ja - aber mit Regeln
Der Wirt des Biergartens, Josef Rayes, erklärt:
Auch die Monitore haben er und seine Mitarbeiter so positioniert, dass man nur von drinnen etwas sehen kann, nicht von außerhalb.
Es ist der Versuch, Public Viewing und Corona-Regeln zu vereinen. Dieses Jahr laden fast ausschließlich Biergärten und Kneipen zum gemeinsamen EM-Schauen ein. Großveranstaltungen wie etwa vor dem Brandenburger Tor in Berlin mit tausenden Menschen fallen landauf, landab aus.
"Wir sind sehr froh, dass wir überhaupt wieder was machen dürfen", sagt Josef Rayes. "Noch vor ein paar Wochen hätte ich nicht damit gerechnet." Statt 900 Gästen wie sonst kann er dieses Jahr nur zwischen 300 und 400 unterbringen - Hauptsache, das Geschäft läuft überhaupt wieder, sagt der Wirt.
Ordnungsamt und Polizei kontrollieren Biergärten und Gaststätten
Das Kölner Ordnungsamt überprüft die Einhaltung der Regeln mit Augenmaß. "Die Wirte sollen wieder ihr Geschäft machen können", sagt der Leiter des Ordnungsamts Wolfgang Büscher.
Das Schwierigste dabei: die Regeln im Kopf behalten, wenn gleichzeitig die Emotionen hochkochen.
Dienstagabend, beim ersten Spiel der deutschen Mannschaft, im Biergarten am Aachener Weiher: Hunderte Fans sind gekommen, die Stimmung ist gut bis ausgelassen. "Endlich ist die Durststrecke vorbei", sagt ein junger Mann. "Nach so vielen Monaten alleine zu Hause musste ich hierhin", sagt ein anderer.
Spagat zwischen Emotionen beim Fußball und Abstandsregeln
Schon vor dem Anpfiff, als die Nationalhymnen ertönen, haben Josef Rayes und seine Mitarbeiter alle Hände voll zu tun. Französische Fans sind aufgesprungen, "Allez les Bleus!", jubeln sie ihrem Team zu. "Steht auf, wenn ihr Deutsche seid!", tönt es anschließend - doch genau das soll eben nicht passieren.
Aufstehen darf nur, wer zum Ausschank oder zur Toilette möchte - und zwar mit Maske. Sonst gilt: am Tisch sitzenbleiben. So lautet nun mal die Spielregel beim Public Viewing im Biergarten.
Josef Rayes läuft zum französischen Pulk, wedelt beschwichtigend mit den Armen und bedeutet den Fans, sich wieder zu setzen. Als dann nach 20 Minuten Mats Hummels' Eigentor fällt, wieder das gleiche: Die französischen Fans springen auf, liegen sich in den Armen.
Bei ausuferndem Torjubel geht der Bildschirm aus
Josef Rayes und ein paar Security-Mitarbeiter sind Sekunden später zur Stelle und sorgen dafür, dass die Menschen bald wieder sitzen.
Ein Spagat, der an diesem Abend gelingt, gelingen muss. Einmal schalten zwei Mitarbeiter kurz einen Fernseher aus, als es ihnen zu bunt wird. Als die Leute wieder sitzen, schalten sie wieder ein.
Als das Spiel vorbei ist, beginnen an den Tischen die Analysen. "Ein Stoßstürmer fehlt, der vorne die Tore reinmacht", kritisiert ein junger Zuschauer. "Deutschland rockt das noch, die rocken das!", ruft eine junge Frau. "Tolle Stimmung!", freut sich Josef Rayes. Es ist immer noch warm, als der Biergarten sich langsam leert und die Leute nach Hause gehen. Die meisten sehen glücklich aus - trotz des 0:1.
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