Für Ungarn geht es heute Nachmittag um einen Sieg. Europa dagegen staunt über Fußball im vollbesetzten Stadion. Dahinter steckt wohl auch eines: Orbáns Kalkül.
Was beim Spiel von Ungarn gegen Frankreich vor allem ins Auge fallen wird: die vollen Ränge. Das ist europaweit einmalig, sagt Jenő Sipos vom ungarischen Fußballverband dem ZDF.
Für den Zugang zum Ferenc-Puskás Stadion gilt die sogenannte 3-G-Regel:
- geimpft
- getestet
- oder genesen
Das alles ist auf der sogenannten Schutzkarte vermerkt, die die Ungarn derzeit mit sich führen. Mit der Karte lassen sich vorab Zugangsbändchen abholen. Das verhindert größere Warteschlangen am Einlass des Stadions - dafür müssen die Fans viel Zeit mitbringen.
Volles Stadion und Public-Viewing in Budapest
Im Stadion ist die Maske nicht Pflicht, aber erwünscht. Abstand zu den anderen Fans lässt sich bei mehr als 50.000 Besuchern schlecht halten. Ausländische Fans kommen nur mit einem negativen PCR-Test ins Stadion.
In Budapest sind gut zwei Dutzend Public-Viewing-Plätze eingerichtet; am Heldenplatz ist der größte - bis zu 10.000 Menschen können dort bei Grillwurst, Bier und derzeit 30 Grad die Spiele sehen. "Ein fantastisches Gefühl", schwärmt ein Besucher. "Da haben wir alle drauf gewartet." Auch hier erfolgt der Zugang zum Public nach der 3-G-Regel. Ein Familienvater berichtet:
Durchschnittliche 7-Tage-Inzidenz in Ungarn unter 10
Gut 45 Prozent der Ungarn sind bereits vollständig geimpft. Mittels nationaler Notzulassung hatte Ungarn unter anderem auf Impfstoffe aus Russland und China gesetzt, die jedoch wegen mangelnder Datenlage noch nicht in der EU zugelassen sind.
Als "geimpft" gilt man übrigens schon nach der ersten Impfung - obwohl der Schutz dann noch nicht so hoch ist, wie bei doppelter Impfung. Nach zwei Corona-Wellen liegt die durchschnittliche 7-Tage-Inzidenz aktuell bei unter 10.
Die Entwicklung der Inzidenzen nach den Spielen in Budapest wird damit interessant zu beobachten sein. Volle Ränge wie in Budapest hat man im europäischen Fußball jedenfalls lange nicht gesehen.
Fußball verbindet. Das war das große Versprechen der UEFA für diese EM. ZDF-Reporter Jochen Breyer fragt: Was ist in Pandemie-Zeiten davon geblieben?
Fußball verbindet - darauf setzt auch Orbán
Warum geht die ungarische Regierung dieses Wagnis ein? Viktor Orbán hat die Pandemie genutzt, um seine Macht zu festigen - unter anderem mit einem sogenannten Fake-News-Gesetz, das bis heute die Medienfreiheit in Ungarn einschränkt. Seine Impfanstrengungen, zumal mit chinesischem Impfstoff, waren nicht bei allen Ungarn beliebt. Die Fußballspiele im Stadion werden ihm jedoch wieder ein paar Sympathiepunkte bringen.
Denn Viktor Orbán weiß: Das Einzige, was alle Ungarn zusammenhält - ob links, ob rechts, ob Freund, ob Gegner -, ist der Fußball. Wenn Ungarn zuhause gegen einen großen Gegner spielt, steht das Land zusammen.
Für Ministerpräsident Orbán ist diese EM eine weitere Runde in seinem persönlichen Europameisterschaftskampf mit der EU. Er war der erste, der ein durchschlagendes Impf-Programm durchgesetzt hat. Er ist nun der erste in Europa, der vor vollen Rängen spielen lässt. Er und seine Getreuen werden sich - unabhängig vom Erfolg der ungarischen Mannschaft - zumindest als Sieger in dieser EM sehen.
Wegen der vielen Corona-Infektionen in London könnte Budapest noch zum Schauplatz des EM-Finales werden:
- Ist eine Verlegung des EM-Finales denkbar?
Die Delta-Variante hat Großbritanniens Lockerungspläne zunichte gemacht. Doch die UEFA wünscht sich volle Stadion für die Finalrunde. Somit könnte etwa das Endspiel verlegt werden.