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Faktencheck

Polnische Speicher prall gefüllt : Warum Deutschland Gas nach Polen liefert

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Polens Gasspeicher sind gut gefüllt. Trotzdem liefert Deutschland dorthin Gas, während wir hierzulande sparen sollen. In sozialen Medien gibt es daran viel Kritik. Was ist dran?

Rohre an den Anlandungseinrichtungen der "Nord Stream 1"-Gaspipeline in Lubmin, aufgenommen am 08.03.2022
Die Nord Stream 1-Pipeline in Lubmin: Über das europäische Netz wird hier nicht nur Deutschland versorgt. (Archivbild)
Quelle: Reuters

Tausendfach teilen empörte Facebook-Nutzer seit Tagen einen Beitrag: "Polnische Gasspeicher zu 100 Prozent voll mit Gas aus der BRD", heißt es. Während die Gaspreise hierzulande "aus Mangel an verfügbarem Gas explodieren", werde es aus Deutschland nach Polen exportiert. "Gas-Chaos: Deutschland füllt Polens Gasspeicher, anstatt die eigenen", titelt das bei Rechtspopulisten beliebte Onlinemedium "Epoch Times".

Tatsächlich sind die polnischen Gasspeicher im Gegensatz zu den deutschen nahezu komplett gefüllt - und ja, teils auch mit Gas, das vorher nach Deutschland geflossen ist. Doch geschenkt wird Polen hier nichts und an den hohen Gaspreisen in ganz Europa ändert das auch nichts direkt. Tatsächlich gibt es mehrere konkrete Gründe, warum auch trotz der Energiekrise weiter Gas aus Deutschland nach Polen geleitet wird.

Kalte Winter sind in Polen nichts Neues, aber die steigenden Energiepreise und der Gas-Stopp Russlands verschärfen die Sorgen. Menschen dämmen ihre Häuser und sammeln Holz im Wald.

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Nach Deutschland strömendes Gas gehört nicht unbedingt deutschen Firmen

Das europäische Gasnetz umfasst ein weit verbreitetes System von großen Pipelines, ähnlich dem Stromnetz. "Sie erstrecken sich von den Weiten Russlands bis nach Portugal und von Lappland bis Sizilien: ein Röhrenlabyrinth mit einer Gesamtlänge von mehr als 225.000 Kilometern", heißt es beim Bundesverband für Energie- und Wasserwirtschaft.

Eine Sprecherin des Bundeswirtschaftsministeriums erklärt auf Anfrage von ZDFheute, dass diese Leitungen im europäischen Gasmarkt von vielen Ländern genutzt werden: Wenn beispielsweise russisches Gas über einen deutschen Grenzübergang ankomme, bedeute das noch nicht, dass diese Mengen von deutschen Unternehmen gekauft worden seien - "das Gas kann von polnischen Firmen, oder italienischen oder Firmen eines anderen Landes genutzt werden, wird aber über die Leitung transportiert."

Durch diese Pipelines liefert Russland Gas nach Deutschland
Durch diese Pipelines fließt russisches Gas nach Deutschland.
Quelle: ZDF

Gas, das nach Deutschland strömt, "gehört" also nicht zwangsläufig Deutschland oder deutschen Firmen: Auf dem freien Markt der EU wird Gas von privaten Firmen gehandelt, denen auch die Fernleitungen und Gasspeicher gehören, wie das Bundeswirtschaftsministerium auf seiner Webseite erläutert. Entsprechend ihrer Vertragsbeziehungen wird Gas geliefert.

Teils bestehen diese Verträge schon lange - deutlich vor der aktuellen Krise, andere Verträge wurden erst kürzlich in Reaktion auf wegfallende Lieferungen aus Russland oder sich verändernde Preise geschlossen. Einfach zurückhalten kann Deutschland dieses Gas nicht, ohne Verträge zu brechen.

Deutschlands Speicherkapazität sechs mal größer als die von Polen

Polen ist gerade in besonderem Maße darauf angewiesen, sich kurzfristig auf den Gasmärkten einzudecken. Denn der russische Konzern Gazprom stoppte im April die Lieferung an Polen. Seitdem kaufen polnische Händler verstärkt Gas zu hohen Marktpreisen auch in Deutschland ein.

"Wer genau welche Gasmengen wo kauft und an wen liefert, kann man von außen kaum nachvollziehen. Die globalen Märkte laufen meist anonym ab", sagt Tobias Federico, Geschäftsführer der Beratungsagentur Energy Brainpool, ZDFheute. "Es ist weder rechtlich noch praktisch machbar, deutschen Unternehmen ein Weiterverkaufsverbot etwa an Polen aufzuerlegen. Das sind privatwirtschaftliche Unternehmen."

Die Energieminister der EU-Staaten haben sich auf einen Gas-Notfallplan geeinigt: Die Länder sollen 15% weniger Gas verbrauchen. Eine Pflicht gibt es jedoch nicht.

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Polen verfügt aktuell über nahezu vollständig gefüllte Gasspeicher: Nach Zahlen der Plattform AGSI sind die polnischen Gasspeicher zu fast 99 Prozent gefüllt. Im Vergleich dazu sind die Speicher in Deutschland zu knapp 67 Prozent gefüllt - die Speicherkapazität Deutschlands ist laut AGSI-Daten aber sechs mal so groß wie die Polens.

Polen hat verglichen mit Deutschland ein marginal kleines Gasspeichervolumen. Da auf volle Speicher zu verweisen, ist reiner Populismus.
Tobias Federico, Energy Brainpool

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Experte: Lieferverbote "das ganz falsche Signal"

Das Gas in den polnischen Speichern stammt - anders als in dem Facebook-Beitrag suggeriert - nicht ausschließlich aus Deutschland. Das polnische Klima- und Umweltministerium teilte der Rechercheplattform "Correctiv" mit, man beziehe Gas aus "unterschiedlichen Quellen". Ein Großteil stamme aus LNG-Terminals, hinzu kommen eigene Produktion und Käufe auf dem europäischen Gasmarkt, darunter auch aus Deutschland.

Jene polnischen LNG-Terminals könnten im Laufe der kommenden Monate für Deutschland noch zentral werden. Sie wären bei einem potenziellen Lieferstopp über Nord Stream 1 eine der begrenzten verbleibenden Möglichkeiten, wie die Bundesrepublik weiter Gas beziehen könnte. Dann wäre man auch auf Polen angewiesen; über eigene LNG-Terminals verfügt Deutschland bislang nicht.

Experte Federico sagt dazu klar: "Wir sind in Europa eine Solidargemeinschaft und werden bei der sich anbahnenden Gas-Krise auf Unterstützung angewiesen sein. Jetzt alle Gaslieferungen mit Verboten zu unterbinden, wäre das ganz falsche Signal."

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