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Vor Bundesverfassungsgericht : Verdienen Gefangene zu wenig?

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Das Bundesverfassungsgericht verhandelt heute darüber, ob die Lohnhöhe von Gefangenen im Strafvollzug mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Kläger sind Häftlinge aus Bayern und NRW.

Ein Häftling legt in der Schreinerei der Justizvollzugsanstalt in Ulm (Baden-Württemberg) ein Holzbrett in eine Maschine, aufgenommen am 20.01.2016
Ein Häftling arbeitet in der Schreinerei der Justizvollzugsanstalt in Ulm (Archivfoto)
Quelle: dpa

Im Strafvollzug besteht in fast allen Bundesländern eine Arbeitspflicht. Vor über 20 Jahren gab es die letzte Lohnerhöhung für Inhaftierte. Pro Stunde verdienen sie bis zu drei Euro. Nun muss sich das Bundesverfassungsgericht mit der Gefangenenvergütung beschäftigen.

Geklagt hatten zwei Strafgefangene aus Bayern und Nordrhein-Westfalen, die sich gegen die Höhe ihres Lohns wenden.

Kosten auch während der Haft

Denn die Gefangenen haben auch während ihrer Zeit in Haft eine Reihe an Zahlungsverpflichtungen zu erfüllen. Sie müssen beispielsweise für Telefonate oder Unterhaltsverpflichtungen gegenüber Familienangehörigen aufkommen. Viele Inhaftierte haben Anwaltskosten oder Schmerzensgeld zu begleichen - Kosten, die aus der Straftat selbst entstanden sind.

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Die Bundesländer regeln außerdem ein sogenanntes "Überbrückungsgeld", das den Inhaftierten als Lebensgrundlage für die ersten Wochen nach ihrer Entlassung dienen soll. Den Gefangenen wird dabei für eine bestimmte Zeit ein Teil ihres Lohnes abgezogen und angespart.

Niedrige Löhne für Gefangene schon länger Thema

Rolf Keicher, der Vorsitzende der Bundesarbeitsgemeinschaft für Straffälligenhilfe, hat bereits im Jahr 2018 eine Stellungnahme zu der Gefangenenvergütung vor dem Bundesverfassungsgericht abgeben, in der er zahlreiche Probleme mit der aktuellen Lohnhöhe verbindet:

Die Gefangenenvergütung führt zu erheblichen finanziellen Problemen Inhaftierter, ihrer Angehörigen und der Haftentlassenen. Überschuldung, Wohnungslosigkeit und Rückfall sind nicht selten die Folgen der unzureichenden Arbeitsentlohnung.
Stellungnahme Bundesarbeitsgemeinschaft für Straffälligenhilfe

Warum erhalten Gefangene nicht den Mindestlohn?

Für Arbeitnehmer in Freiheit liegt der gesetzliche Mindestlohn derzeit bei 9,82 Euro brutto pro Stunde, er steigt bis zum 1. Oktober auf 12 Euro an. Im Vergleich dazu ist die Gefangenenvergütung deutlich niedriger.

Der Grund: Für die Gefangenen im Strafvollzug gilt der Arbeitnehmerstatus nicht. Die Arbeit in der Haft soll in erster Linie der Resozialisierung - einem zentralen Ziel der Freiheitsstrafe - dienen. Auf den gesetzlichen Mindestlohn können sich Gefangene deshalb nicht berufen.

Kosten für Haft und Produktivität kontra Mindestlohn

Außerdem entstehen Kosten für die Unterbringung der Gefangenen im Strafvollzug. Im Jahr 2020 beliefen sich diese Kosten an einem Hafttag in Nordrhein-Westfalen pro inhaftierte Person auf 169,41 Euro.

Das bayrische Justizministerium weist noch auf einen weiteren Punkt hin: Die durchschnittliche Produktivität der Gefangenenarbeit liege erheblich unter derjenigen von vergleichbaren Tätigkeiten in der freien Wirtschaft. Man benötige daher im Durchschnitt mindestens fünf Gefangene, um eine Arbeitskraft aus der freien Wirtschaft zu ersetzen. Die Forderung der Gefangenen, den gesetzlichen Mindestlohn zu erhalten, sei daher nicht gerechtfertigt, so das bayrische Justizministerium.

Lohnerhöhung könnte kommen

Für die zwei Beschwerdeführer stehen die Chancen vor dem Bundesverfassungsgericht dennoch nicht schlecht. Denn im Jahr 2015 hat das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden, dass die Lohnhöhe nicht pauschal festgeschrieben werden darf, sondern einer ständigen Prüfung zu unterziehen ist. Nach über 20 Jahren ohne eine Veränderung in der Lohnhöhe ist eine Anhebung also durchaus möglich.

Sollte das Bundesverfassungsgericht feststellen, dass der Lohn tatsächlich zu niedrig ist, dann ist das nicht nur ein Gewinn für die Beschwerdeführer. Alle Bundesländer haben für ihren Strafvollzug derzeit ungefähr dieselbe Lohnhöhe festgesetzt. Klagen in anderen Bundesländern sind dann vorprogrammiert, wenn die Länder nicht von selbst nachjustieren sollten.

Das Bundesverfassungsgericht wird sich heute und morgen mit diesem spannenden Thema beschäftigen. Ein Urteil ist erst in einigen Monaten zu erwarten.

Laureen Busche ist Rechtsreferendarin in der ZDF-Redaktion Recht und Justiz.

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