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Traumatisierung Geflüchteter : "Wenn es still ist, wird es im Kopf laut"

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Ein Drittel der Menschen, die einen Krieg erlebt haben, leiden unter einer Traumafolgestörung. Die psychologische Versorgung der ukrainischen Geflüchteten ist allerdings prekär.

Drei geflüchtete ukrainische Frauen umarmen sich und weinen
Geflüchtete Ukrainerinnen haben oft mit Traumata zu kämpfen.
Quelle: AP

Tatjana Orlova läuft mir lächelnd in einem Biergarten in Baierbrunn in einem Sommerkleid entgegen. Sie ist Mitte März gemeinsam mit ihren beiden Töchtern, die 10 und 16 Jahre alt sind, aus ihrer Heimatstadt Kramatorsk im Osten der Ukraine nach München geflüchtet. Die 37-Jährige ist eine der vielen ukrainischen Geflüchteten in Deutschland, die unvorstellbares Leid erlebt haben und nun mit den Konsequenzen leben: einer Traumatisierung.

Posttraumatische Belastungsstörungen

Statistiken legen nahe, dass etwa ein Drittel der Menschen, die einen Krieg miterlebt haben, an einer posttraumatischen Belastungsstörung leiden. Dementsprechend kann davon ausgegangen werden, dass auch unter den ukrainischen Geflüchteten ein ähnlicher Anteil eine psychische Erkrankung entwickelt.

Die Zahl der Geflüchteten, die psychologische Hilfe brauchen, übersteigt das Angebot allerdings bei weitem. Zwar gibt es bundesweit psychosoziale Zentren, die Geflüchtete psychologisch unterstützten, und zusätzliche Anlaufstellen besonders in Städten, aber auch deren Kapazitäten reichen nicht aus.

Sprachbarrieren in der Therapie

Für die Versorgung traumatisierter Geflüchteter gibt es Spezialisten wie Psychotherapeuten, die schwerpunktmäßig Traumafolgestörungen behandeln und bereits mit Geflüchteten aus Kriegsgebieten gearbeitet haben. Auch bei diesen Spezialisten stellt sich allerdings ein grundsätzliches Problem: die meist vorhandene Sprachbarriere. So bedarf es für eine Behandlung in den meisten Fällen auch eines Dolmetschers.

Für Tatjana stellt besonders die Sprachbarriere ein Problem dar. Sie hat Angst, missverstanden zu werden:

Was ist, wenn der Übersetzer falsch versteht, was ich gesagt habe?
Tatjana Orlova

"Nach einem anstrengenden Tag, an dem alles schiefläuft, sagt man bei uns manchmal "Ich könnte jemanden umbringen" ohne das natürlich zu meinen - es ist eine Phrase". Sie hat Angst davor, dass sie für verrückt erklärt wird und ihr ihre Kinder weggenommen werden.

Kriegserlebnisse: Anschlag in Kramatorsk

Eigentlich würde Tatjana aber sehr gerne mit jemanden reden. Über all das, was sie gesehen hat und was sie nachts wachhält. Tatjana ist nach ihrer Ankunft in Deutschland nochmal in die Ukraine gereist, um ihre Mutter aus einem Dorf im Frontgebiet ganz im Osten der Ukraine zu holen.

Sie erzählt davon, wie sie allein mit dem Auto immer weiter in das Frontgebiet gefahren ist. Das Internet hat nicht funktioniert und alle Straßenschilder waren abgebaut. Sie irrte tagelang ohne Schlaf mit dem Auto herum, bis sie ihre Mutter gefunden hat.

"Ich habe meinen Fuß nur vom Gas genommen, wenn es unbedingt nötig war", sagt sie über die Fahrt vom Frontgebiet zurück nach Kramatorsk. Am 8. April wartete sie mit ihrer Mutter am Bahnhof in Kramatorsk – gemeinsam mit hunderten anderen Menschen, die auf Züge hofften, die sie in den Westen des Landes bringen.

Es ist der Tag des Raketenanschlags auf den Bahnhof. "Der Bahnhof war brechend voll. Meine Mutter war durstig, deswegen bin ich mit ihr in einen nahegelegenen Laden gegangen, um Wasser zu kaufen". Genau dann erreichten russische Raketen den Bahnhof und töten über 50 Menschen.

Sirenen und Schreie

Sie schaut auf ihre Hände und erzählt von den Schreien am Bahnhof. Sie habe abgetrennte Gliedmaßen von Kindern gesehen und in Blut getränkte Kuscheltiere. Das sollten die Menschen wissen. Sie könne oft nicht schlafen.

Sobald es um mich herum still wird, wird es in meinem Kopf laut.
Tatjana Orlova

Dann höre sie wieder Sirenen und Schreie, dann sitze sie wieder bei Dunkelheit in überfüllten Zügen und lege sich auf ihre Töchter, um sie so im Falle eines Treffers einer Rakete retten zu können.

Sie sagt, dass ihr bisher der Austausch mit anderen geflüchteten Frauen geholfen habe. Eine Bekannte von ihr habe sogar einen regelmäßigen Gesprächskreis gegründet. "Ein Teil von mir befindet sich noch in der Ukraine der Vorkriegszeit. Aber ich beginne zu verstehen, was passiert ist und dass nichts mehr so ist, wie es war – auch wenn wir immer noch darauf hoffen, endlich nach Hause zu können."

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