Auf dem George-Floyd-Platz wird gesungen und getanzt. Und doch ist die Freude bei einigen getrübt. Denn die Polizeigewalt in den USA ist längst nicht überwunden.
Sprechchöre und Parolen gab es im vergangenen Jahr viele, am George-Floyd-Platz in Minneapolis. Sie haben von hier aus das ganze Land verändert. Vor allem natürlich: Black lives matter. Schwarze Leben zählen.
Und doch wusste die Menge heute nicht so genau, was sie antworten soll, als Marcia Howard die Vorlage liefert: "No Justice" ruft sie in ihr Mikrofon. Hunderte Menschen rufen zurück. Die einen mit: "No Streets". Die anderen: "No Peace". Ohne Gerechtigkeit keine Straßen - oder kein Frieden?
Aktivisten wollen Gerechtigkeit für George Floyd
Vermutlich ist beides irgendwie wahr. Denn Marcia Howard ist so etwas wie die Bürgermeisterin einer autonomen Zone mitten in Minneapolis. Protestierende hatten sie errichtet, um darin ungestört um George Floyd trauen zu können, der hier am 25. Mai vergangenen Jahres starb - unter dem Knie eines Weißen Polizisten. Ohne Gerechtigkeit für Floyd, so die Prämisse, geben sie die Straßen hier nicht mehr frei. No justice, no streets.
An diesem Tag gibt es Gerechtigkeit: Eine Jury spricht den ehemaligen Polizisten Derek Chauvin schuldig, George Floyd ermordet zu haben. Nach einer dreiwöchigen Verhandlung fiel das Urteil schneller, als die meisten erwartet hatten. Und deutlicher. Schuldig in allen drei Anklagepunkten: Mord zweiten Grades, Mord dritten Grades und Totschlag. Allein auf Mord zweiten Grades stehen in Minnesota bis zu 40 Jahre Haft.
Erleichterung über das Urteil
Die Erleichterung, als das Urteil fällt, ist spürbar. Hunderte strömen auf die Straßen von Minneapolis, auf den George-Floyd-Platz. Sie fallen sich in die Arme, singen, tanzen. Die Stadt hatte sich auf Proteste eingerichtet, sollte das Urteil anders ausfallen. 3.000 Nationalgardisten standen bereit. Doch so bleibt der Abend friedlich.
Auch Kaylee ist am George-Floyd-Platz, wie so oft seit dem 25. Mai 2020.
"Es bedeutet, dass wir eines Tages die Chance haben könnten, gleich behandelt zu werden." Sie sei sehr glücklich. Aber gleichzeitig sei George Floyd nur einer von vielen Schwarzen gewesen, die Opfer von Polizeigewalt werden.
Keine Polizeigewalt mehr gegen Schwarze?
Bernice ist mit ihrer Freundin hergekommen. Beide tragen sie Schilder bei sich, auf denen steht: Gerechtigkeit für George Floyd. Bernice findet, es gab Gerechtigkeit - ein bisschen. Aber: "Es liegt noch viel Arbeit vor uns, bis wir alle als Bürger*innen angesehen werden und nicht als Kriminelle."
Dafür müsse sich das gesamte System verändern, findet Antonio Williams. "Im Moment haben wir ein System, dass diesem Polizisten ermöglicht, so etwas zu tun." Das System beschütze Polizist*innen, wenn sie Schwarze schikanierten, brutal behandelten, ja sogar ermordeten.
Der 33-Jährige organisiert eine Unterschriften-Kampagne, die dafür sorgen soll, dass die Polizei in Minneapolis abgeschafft wird. Stattdessen soll eine neue Behörde für öffentliche Sicherheit die Aufgaben der Polizei übernehmen.
Floyd-Urteil nur ein erster Schritt
Kaylee, Bernice, Antonio - sie alle sind sich einig. Das Urteil gegen Derek Chauvin war nur ein erster Schritt, wenn es darum geht, Polizeigewalt gegen Schwarze zu beenden.
Marcia Howard stimmt weiter Sprechchöre an. Und bei diesem weiß die Menge genau, was gemeint ist: "One down, three to go." Einer erledigt, drei kommen noch. Denn: Drei weitere Polizisten stehen im Sommer vor Gericht, wegen Beihilfe zum Mord an George Floyd.
Die Straßen um den George-Floyd-Platz in Minneapolis werden die Aktivist*innen um Marcia Howard womöglich noch nicht wieder freigeben. Aber die Gerechtigkeit dieses ersten Schrittes - die feiern sie trotzdem.
- Ein klein wenig Hoffnung
Dass Derek Chauvin wegen Mordes an George Floyd schuldig gesprochen wurde, macht ein klein wenig Hoffnung. Nicht mehr. Der Weg zu einem gerechten Amerika bleibt weit.