Exportblockade: Ukraines Landwirte sorgen sich um neue Ernte

    Exportblockade für Getreide:Ukrainische Landwirte sorgen sich um Ernte

    13.07.2022 | 06:50
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    Die Ukraine sitzt wegen der Exportblockade durch Russland auf 22 Millionen Tonnen Getreide. Was mit der neuen Ernte passieren soll - unklar. Viele Bauern stehen vor dem Bankrott.

    Weizenähren stehen auf einem Feld. Archivbild
    In der Ukraine beginnen die neuen Ernten, aber für die Getreidebauern sieht es düster aus. Archivbild
    Quelle: dpa

    Oleksandr Tschubuks Winterweizen sollte schon ins Ausland transportiert und sein Lagerhaus leer sein - frei für die neue Ernte. Stattdessen türmt sich in seinen Vorratsbehältern das Getreide, es kann wegen des Krieges in seinem Land nicht verschifft werden.
    Tschubuk erwartet, dass er dieses Jahr 500 Tonnen ernten kann, aber das erste Mal in seinen 30 Jahren als Bauer weiß er nicht, was er damit tun kann.

    Hoffnung ist das Einzige, was ich jetzt habe.

    Oleksandr Tschubuk, Landwirt

    Nach Angaben von Präsident Wolodymyr Selenskyj sitzt die Ukraine wegen der russischen Invasion auf 22 Millionen Tonnen Getreide - eine wachsende Krise in einem Land, das wegen seiner reichen Exporte von Weizen, Mais und Sonnenblumenöl als "Brotkorb Europas" bekannt ist.
    Russland blockiert die ukrainischen Häfen, viele Millionen Tonnen Getreide hängen fest. 26.06.2022 | 2:39 min

    2,2 Millionen statt sieben Millionen Tonnen Getreide-Export

    Vor dem Krieg konnte die Ukraine monatlich sechs bis sieben Millionen Tonnen Getreide ausführen, aber im Juni waren es der ukrainischen Getreide-Vereinigung zufolge nur 2,2 Millionen Tonnen. Normalerweise schickt das Land 30 Prozent seiner Ernte nach Europa, 30 Prozent nach Nordafrika und 40 Prozent nach Asien, wie Mykola Horbatschow, Vorsitzender des Verbandes, erklärt.
    Und nun, wegen der russischen Blockade der ukrainischen Häfen am Schwarzen Meer, ist unklar, was mit der neuen Ernte passieren wird.

    Entwicklungsländern droht Hungersnot

    Die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der UN sagt, dass der Krieg die Nahrungsversorgung für viele Entwicklungsländer gefährden und Millionen Menschen in eine Hungersnot stürzen könnte.
    Und viele Landwirte in der Ukraine könnten pleite gehen. Sie seien mit der schwierigsten Situation konfrontiert, seit das Land 1991 unabhängig wurde, sagt Horbatschow.
    Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan arbeitet nach eigenen Angaben mit den UN, der Ukraine und Russland zusammen, um eine Lösung zu finden, schlägt sichere Korridore im Schwarzen Meer für Weizentransporte vor.   
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    Alternative Transportwege nach Europa

    Unterdessen muss sich die Ukraine auf weniger effektive Alternativen stützen, um zumindest Getreide nach Europa zu transportieren. Derzeit werden 30 Prozent von Exporten über drei Donau-Häfen in der südwestlichen Ukraine abgewickelt.
    Außerdem wird versucht, Getreide über zwölf Grenzübergänge zu europäischen Staaten ins Ausland zu bringen, aber Lastwagen müssen dort tagelang warten, und Europas Infrastruktur kann bislang ein solches Getreidevolumen nicht absorbieren, wie Horbatschow erläutert.

    Es ist unmöglich, eine solche Infrastruktur in einem Jahr aufzubauen.

    Mykola Horbatschow, ukrainische Getreide-Vereinigung

    Transportkosten hoch - viele Bauern vor Bankrott

    Die russische Invasion hat auch die Transportkosten in die Höhe schnellen lassen. Um in diesem Jahr geerntete Gerste in den am nächsten gelegenen rumänischen Hafen Constanta zu bringen, müssen pro Tonne umgerechnet knapp 160 bis 180 Euro hingeblättert werden, während es zuvor zwischen 40 und 45 Euro waren. Ein Bauer, der Gerste an einen Händler verkauft, erhält aber weniger als 100 Euro pro Tonne.
    Die Verluste häufen sich also an - zusammen mit dem Getreide in den Silos.

    Die meisten Bauern laufen Gefahr, schon sehr bald bankrott zu werden. Aber sie haben keine andere Option, als ihr Getreide unter dem Selbstkostenpreis zu verkaufen.

    Mykola Horbatschow, ukrainische Getreide-Vereinigung

    Wenn es denn überhaupt jemanden gibt, der es ihnen abnimmt. Tschubuk etwa konnte früher eine Tonne Weizen von seinen Feldern in der Gegend von Kiew für umgerechnet etwa 270 Euro verkaufen. Jetzt kann er nicht einmal einen Käufer finden, der bereit ist, für eine Tonne 135 Euro zu zahlen.

    Getreide-Verband: Öffnung der Häfen einzige Lösung

    Die Ukraine hatte im vergangenen Jahr eine Rekord-Getreideernte, kam auf 107 Millionen Tonnen. Für dieses Jahr war sogar noch mehr erwartet worden. Aber jetzt können die Bauern bestenfalls von 70 Millionen Tonnen ausgehen, wie Horbatschow schätzt.

    Ohne Öffnung der Häfen (am Schwarzen Meer) sehe ich keinerlei Lösung für ukrainische Landwirte, um zu überleben.

    Mykola Horbatschow, ukrainische Getreide-Vereinigung

    "Und wenn sie nicht überleben, werden wir afrikanische Länder nicht ernähren können", sagt er.
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    Quelle: Hanna Arhirova, AP
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