2022 zeichnet sich als Rekordjahr für die Schmelze deutscher Gletscher ab. Hauptgrund: Rot-brauner Saharastaub, der die schützende Schneedecke früher schmelzen lässt.
Der Saharastaub aus dem Frühjahr setzt den fünf verbliebenen Gletschern in Deutschland in diesem Sommer mächtig zu. Die Schmelze auf der Zugspitze etwa sei rund sechs Wochen weiter fortgeschritten als um diese Jahreszeit üblich, berichteten Glaziologen. Alpenweit zeichne sich ein ähnliches, teils sogar dramatischeres Bild ab.
Olaf Eisen, Glaziologe am Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung, betont: "Die Frage ist nur: Wie viel schlimmer wird es als im bisherigen Rekordjahr 2003?"
Letzter deutscher Gletscher wohl in zehn Jahren weg
Fünf Gletscher gibt es noch in Deutschland, sie liegen allesamt in Bayern. Der letzte von ihnen wird den Prognosen zufolge in etwa zehn Jahren verschwunden sein. Aktuelle Bilder zeigen eindrücklich, dass die Eisflächen innerhalb nur eines Jahres deutlich zurückgegangen sind. Dem südlichen Schneeferner auf der Zugspitzmassiv könnte schon dieser Sommer den Rest geben.
Der Gletscherbruch in den Dolomiten hat erneut die gefährlichen Folgen des Klimawandels vor Augen geführt. Auch in den bayerischen Alpen verlieren die Gletscher Jahr für Jahr an Masse, wie zum Beispiel auf der Zugspitze.
"So ein Sommer, der alpenweit außergewöhnlich ist, ist sicher seit den 1960ern nicht mehr vorgekommen", erläuterte Wilfried Hagg von der Hochschule München. Nach Messungen von Christoph Mayer von der Bayerischen Akademie der Wissenschaften ist die Schmelze in diesem Jahr wohl alpenweit rund 50 Prozent stärker als in einem Durchschnittsjahr.
Saharastaub setzt Gletschern zu
Neben einem vielerorts schneearmen Winter und einem trockenen und heißen Sommer sehen die Experten die Ursache dafür vor allem in den Folgen des Saharastaubs, der sich besonders bei seinem Auftreten im März rot-braun auf den Gletschern ablegte.
Der Grund: Wenn Sonnenstrahlung auf eine helle Schneeoberfläche trifft, werden 90 Prozent reflektiert. Der Staub aber ist dunkler und nimmt dadurch viel mehr Energie auf, die er dann als Wärme an den Schnee abgibt. Zudem erwärmt sich der Staub auch auf höhere Temperaturen als Schnee und pappt noch dazu auf dem feuchten Schnee so fest, dass ihn der Wind auch nicht wegtragen kann.
Gletscher nur halb so lang beschneit wie sonst
Was das bedeutet, konnte Hagg kürzlich mit eigenen Augen beim südlichen Schneeferner sehen. "Die schützende Schneedecke an der Zugspitze ist einen Monat früher weggewesen. Der Gletscher schmilzt jetzt schon seit Mitte Juni statt ab Mitte/Ende Juli", berichtet er von seiner Exkursion. Sechs Wochen früher bedeuten rund die Hälfte der Zeit zusätzlich, in denen der Gletscher ungeschützt der Sonne ausgesetzt ist.
Enorme Folgen für Alpen-Bewohner
"Wenn sich das in den nächsten Jahren fortsetzt, wovon wir aufgrund der Prognosen zum Klimawandel ausgehen, heißt das, dass die Gletscher unterhalb von 3.500 Metern verschwinden werden" betont Glaziologe Olaf Eisen.
Was Nicht-Bergsteiger vielleicht nur zu einem Achselzucken veranlassen mag, hat für die Bewohner der Alpen enorme Folgen. Nur ein Beispiel: Derzeit bringen die Gletscher den Schnee aus dem Winter als Wasser in den Sommer. Tun sie das eines nahen Tages nicht mehr, kann das dazu führen, dass in heißen, trockenen Sommern in den Tälern nur noch wenig Wasser zur Verfügung steht.
- Daten zum Klimawandel im Überblick
Wie hat sich das Klima bereits verändert? Wie viel CO2 haben die Länder seit 1990 eingespart? Die wichtigsten Zahlen im KlimaRadar von ZDFheute.