Schon Jahre vor dem Gondel-Unglück nahe des Lago Maggiore könnte die Seilbahn manipuliert worden sein. Darauf deuten Aufnahmen eines Schweizers Hobbyfilmers hin.
Sicherheitsmängel lange vertuscht?
An der Unglücksseilbahn von Stresa könnten schon seit Jahren die Notbremsen blockiert worden sein. Das legen Videoaufnahmen aus den Jahren 2014 und 2018 nahe, die dem ZDF vorliegen. Darauf sind sogenannte Gabeln zu sehen, die die Notbremsen außer Kraft setzen.
Bei dem Gondel-Unglück am Pfingstsonntag waren 14 Menschen gestorben, ein kleiner Junge überlebte als einziger, er wurde schwer verletzt.
Das Bildmaterial stammt vom Schweizer Hobbyfilmer Michael Meier. Dreimal filmte er aus technischem Interesse die Anlage am Mottarone: 2014, 2016 und 2018. Nach dem Unglück am Pfingstsonntag ging er sein Material erneut durch und entdeckte die Gabeln - italienisch Forchettone:
Meier hat jahrelang in der Seilbahnbranche gearbeitet. Privat sind die Bahnen und ihre Technik auch jetzt noch seine Leidenschaft. Wo es geht, filmt er die Anlagen, hat ein riesiges Archiv.
Schweizer Seilbahn-Experte gibt Meier Recht
Das ZDF legte Fotos und Videos dem Schweizer Seilbahnfachmann Professor Gabor Oplatka vor. Oplatka leitet über viele Jahre den Bereich Seilbahntechnik an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich (ETH). Auch er kommt zu dem Schluss:
Gegenüber den Ermittlungsbehörden hat der hauptverdächtige Techniker Gabriele T. eingeräumt, im April und Mai 2021 Gabeln eingesetzt zu haben. Die Fangbremse hätte seit der Wiederinbetriebnahme am 26. April Probleme gemacht, so seine Begründung. Der Anwalt eines anderen Beschuldigten verweist darauf, dass der Einsatz dieser Gabeln zur Wartung der Kabinen und bei Leerfahrten in Italien zulässig sei.
Das Problem mit einer schlecht eingestellten Notbremse: Wenn sie nicht gerade Leben rettet, kann sie den Betrieb empfindlich erschweren - sie kann auf dem Tragseil schleifen oder gleich ganz zuschnappen, nur weil das Zugseil gerade nicht genug spannt. Die Gabel oben verhindert das - praktisch für Wartungsarbeiten, aber ansonsten kriminell.
Konfrontiert mit den Erkenntnissen schrieb das Büro der zuständigen Staatsanwaltschaft dem ZDF, man werde dies "an die Staatsanwältin weiterleiten" und endete mit den Worten: "Gute Arbeit".