Dass der Bundesanwalt die Ermittlungen zum rassistischen Anschlag von Hanau eingestellt hat, überrascht viele Angehörige der Opfer nicht. Was bleibt: Enttäuschung und Misstrauen.
Die Bundesanwaltschaft hat ihre Ermittlungen zum rassistischen Anschlag von Hanau eingestellt. Es hätten sich keine Anhaltspunkte ergeben, dass der Todesschütze Tobias R. Gehilfen oder Mitwisser hatte. Die meisten Angehörigen sind nicht überrascht, aber enttäuscht - außerdem fühlen sie sich in ihrem Misstrauen gegenüber der Polizei und der Justiz bestätigt, das sich bei ihnen seit dem Attentat vom 19. Februar 2020 immer mehr manifestiert.
Rolle des Vaters von Todesschützen ungeklärt
Keine Mitwisser und Komplizen, sagt nun die Bundesanwaltschaft und glaubt, dass auch Tobias R.s Vater, Hans-Gerd R. nichts von den Plänen seines Sohnes gewusst habe. Genau diesen Punkt kritisieren viele Angehörige jetzt scharf. Hans-Gerd R. lebte mit seinem Sohn in demselben Haus, teilte seine rassistische, rechte Gesinnung, und es gibt Zeugenaussagen von Nachbarinnen aus der Tatnacht, die nahe lagen, dass Hans-Gerd R. bei seiner Aussage gelogen hat.
Er hatte nämlich gegenüber der Polizei behauptet, zwischen 20 und 24 Uhr geschlafen zu haben, und nichts von den Ereignissen rund um den Anschlag seines Sohnes mitbekommen zu haben. Doch Nachbarinnen, die ihn kannten, hatten ausgesagt, ihn in der Zeit zwischen 22 und 23.30 Uhr zweimal draußen gesehen zu haben. Er sei komischerweise hinter dem Haus zum Parkplatz gelaufen, ein Umweg, sei dann zum Auto seines Sohnes gelaufen und habe in das Auto reingeleuchtet.
Mögliches Versagen von Polizei und Behörden nicht untersucht
Hagen Kopp von der "Initiative 19. Februar" vermutet, dass Hans-Gerd R. nach der Waffe von Tobias R. geschaut haben könnte. Eine Tatwaffe war nach den Morden im Auto verblieben. Für die Initiative "19. Februar" betont er jetzt: "dass die Generalbundesanwaltschaft ausschließlich mit den Ermittlungen gegen mögliche Mittäter, Mitwisser oder Beihelfer des rassistischen Mörders von Hanau befasst war."
Das stimmt. Trotzdem kritisieren die "Initiative 19. Februar" und viele Angehörige der Opfer wie Armin Kurtović, die Einstellungen der GBA-Ermittlungen. Denn sie halten den Vater von Tobias R. für verdächtig, zumindest von der Tat seines Sohnes gewusst zu haben.
Der Vater des getöteten Hamza Kurtović ist Sprecher der Angehörigen und betont, dass es aber ohnehin um viele weitere offene Fragen gehe, die der GBA nicht behandelt habe. Zum Glück, sagt Armin Kurtović, kämen sie nun im Untersuchungsausschuss auf den Tisch, der in Wiesbaden seine Arbeit aufgenommen hat.
Tobias R. hatte neun Menschen aus rassistischem Motiv getötet, bevor er sich selbst das Leben nahm. Weil er mehrere Hinterbliebene beleidigt haben soll, muss sich heute dessen Vater vor Gericht verantworten.
Unterssuchungsausschuss zu Hanau macht weiter
Dabei geht es beispielsweise um den Notausgang am Tatort Arena-Bar. Er war in der Tatnacht verschlossen und wurde deswegen wohl für Hamza Kurtović und Said Nesar Hasehmi zur Todesfalle. Armin Kurtović sagt, dass viele Zeugen ausgesagt hätten, der Notausgang sei schon lange zu gewesen, und dass die Polizei davon gewusst haben soll. Außerdem wird es in Wiesbaden unter anderem um die Waffenerlaubnisse für den rechten Täter gehen, um die Rolle rechtsextremistischer SEK-Polizisten, die in der Tatnacht in Hanau im Einsatz waren, und um die Nichterreichbarkeit des polizeilichen Notrufs.
Vili-Viorel Păun hatte den Täter nach den ersten Morden bis zum 2. Tatort verfolgt und zwischendurch mehrfach erfolglos versucht, die Polizei zu erreichen. Wie man heute weiß, war das Notrufsystem veraltet und die Polizeistation in Hanau unterbesetzt. Bislang ohne Konsequenzen, beklagen Niculescu und Iulia Păun, das enttäusche sie sehr. Auch die Eltern von Vili setzen alle Hoffnungen auf den Untersuchungsausschuss. Am Freitag werden sie dort sprechen. Sie fordern wie alle Angehörigen endlich lückenlose Aufklärung.
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