Wenig Bewerber: "Handwerksbetriebe müssen um Azubis kämpfen"
Interview
Wenig Bewerbungen im Handwerk :"Betriebe müssen um die Azubis kämpfen"
von Maria Leidinger
18.08.2022 | 16:31
|
Handwerksbetriebe bieten viele Ausbildungsplätze - erhalten aber nur wenige Bewerbungen. Ein Generationenforscher erklärt, wie Betriebe junge Menschen für sich gewinnen können.
Eine Ausbildung in der Bäckerei? Handwerksbetriebe ringen momentan um Bewerberinnen und Bewerber.
Quelle: dpa
Zum Start des diesjährigen Ausbildungsjahres Anfang August ist der Bedarf an Bewerberinnen und Bewerbern im Handwerk nach wie vor sehr groß - es gibt so viele offene Lehrstellen wie noch nie. "Das Handwerk bietet derzeit noch rund 30.000 Ausbildungsplätze mit besten Zukunftschancen", erklärt der Zentralverband des Deutschen Handwerks.
Was fehlt, sind die Bewerberinnen und Bewerber.
Zentralverband des Deutschen Handwerks
Woran das liegt und wie das Handwerk junge Berufseinsteiger für sich gewinnen kann, erklärt Generationenforscher Rüdiger Maas.
ZDFheute: Warum entscheiden sich viele junge Menschen für ein Studium und nicht für das Handwerk?
Rüdiger Maas: Weil es bequemer ist und weil es einfacher ist. Viele junge Menschen gehen aufs Gymnasium, das bereits auf das Studium vorbereitet. Außerdem hat das Handwerk schon lange ein Image-Problem.
Harte Arbeitszeiten, Knochenjob, schlechte Bezahlung - all das schreckt die jungen Generationen ab.
Hinzu kommt: Viele junge Menschen glauben, wenn sie zum Beispiel Bäcker werden, bleiben sie das ein Leben lang. Dieser Gedanke schreckt die heutige Jugend ab. Den jungen Generationen ist nicht bewusst, dass man sich mit einem Meister ebenfalls noch weiterbilden kann.
Zur "Generation Y" gehört, wer zwischen 1980 und 1993 geboren wurde.
Darauf folgt die "Generation Z". Damit sind diejenigen gemeint, die zu den Jahrgängen 1994 bis 2010 gehören. Sie werden auch Gen Zers oder Zoomers genannt
ZDFheute: Welche Forderungen haben die Generationen Y und Z an die ihren Arbeitgeber?
Maas: Junge Berufseinsteiger fordern von ihren Vorgesetzten Disziplin und nicht mehr umgekehrt. Sie fordern zum Beispiel eine gute Einarbeitung, wollen Taten statt Worte. Das kann auch zu Konflikten führen. Die älteren Generationen kennen noch den Spruch "Lehrjahre sind keine Herrenjahre".
Während die alten Generationen das Backblech auch noch fertig gemacht haben, obwohl sie eigentlich schon Feierabend hatten, fordern junge Menschen einen pünktlichen Feierabend und lassen im Zweifel die angefangene Tätigkeit ruhen. Diese Haltung ist anders, aber nicht verwerflich.
ZDFheute: Wie unterscheiden sich die jungen Generationen noch von den älteren Arbeitnehmer*innen?
Maas: Allein durch die Anzahl der Menschen. Es gibt viel weniger Mitglieder der Generation Z, das heißt: Es stehen auch viele Lehrstellen zur Verfügung.
Der Druck auf Arbeitgeber ist dadurch groß. Die jungen Menschen können sich die Lehrstellen aussuchen.
Bei den jüngeren Generationen haben die Eltern zudem ein viel größeres Mitspracherecht. Wenn etwas im Betrieb nicht klappt, geht man zu den Eltern und nicht zum Ausbildungsleiter, zum Betriebsrat oder zum Chef.
Weil sie nicht mit dem Betrieb reden, gehen viele Azubis still. Sie suchen sich eine neue Stelle oder ein Studium und scheuen die Diskussion mit den Vorgesetzten. Die können dann wiederum nicht aus den Kündigungen lernen.
Wir hätten das Studium mehr betont als die Handwerkliche Ausbildung - es gäbe zwar Zuwächse, die reichen nur nicht aus, so Helmut Bramann vom Zentralverband Sanitär Heizung Klima.26.07.2022 | 6:16 min
ZDFheute: Was müssen Handwerksbetriebe besser machen, damit sich auch wieder junge Leute für den Beruf interessieren?
Maas: Das wichtigste für junge Generationen ist ein angenehmes Arbeitsklima. Das erreicht man zum Beispiel mit einem jungen Vorgesetzen, der die Sprache der Azubis kennt.
Handwerksbetriebe müssen um die Azubis kämpfen, ihnen etwas bieten.
Das fängt vor der Ausbildung an. Erstmal muss man die Azubis ja gewinnen. Im Betrieb muss man den Azubis gerecht werden, damit sie nicht hinschmeißen. Und dann muss man frühzeitig mit den Jungen über die Zukunft reden, damit sie auch nach der Ausbildung bleiben.
ZDFheute: Was sind kreative neue Ansätze fürs Handwerk?
Maas: Mein Tipp: Handwerk und Studium mehr verbinden. Das machen im Sinne des dualen Studiums immer noch wenige. Und wenn, dann liegt der Schwerpunkt auf dem Studium. Betriebe und Unis müssen es hinkriegen, dass nach der dualen Ausbildung eine guter Akademiker entsteht und ein super Handwerker.
Generell müssen Betriebe mit der Zeit gehen: neue Wege gehen, vielleicht mehrere Branchen und Disziplinen vereinen. Es hat sich in den letzten Jahren zu wenig getan.