In Ostafrika bedrohen große Heuschreckenschwärme Ernten und somit die Existenz von 39 Millionen Menschen. Die Tiere treffen auf schwache Gegenwehr.
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Elmi Abdi Nur hat ein strahlendes Lächeln, aber wenn der 54-Jährige die derzeitige Heuschreckenplage in Ostafrika beschreibt, verfinstert sich sein Blick, seine Stimme klingt plötzlich sehr bestürzt.
Allein in Somalia seien 2,7 Millionen Menschen in ihrer Existenz bedroht, so Elmi Abdi Nur, Nothilfedirektor der Organisation CARE.
Die Naturgewalt von Hunderten Millionen Insekten trifft die Menschen in Ostafrika besonders hart, weil sie erst 2020 von einer der schlimmsten Heuschreckenplagen seit Jahrzehnten heimgesucht worden sind.
Millionen Heuschrecken treffen auf schwache Gegner
"Es hat keinerlei Zeit für eine Erholung gegeben", sagt Abdi Nur im Video-Gespräch mit ZDFheute.
Klimawandel, Corona-Pandemie und politisches Missmanagement bereiteten den Nährboden für eine humanitäre Katastrophe.
"Viele Familien können ihren Lebensunterhalt wegen zunehmenden Wetterextremen und Einschränkungen durch die Corona-Pandemie nicht mehr bestreiten", sagt Abdi Nur.
Hungersnot bedroht Ostafrika
Die Landwirtschafts- und Ernährungsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) warnt inzwischen vor einer Hungersnot, von der 39 Millionen Menschen vor allem in Somalia, Äthiopien und Kenia betroffen sein könnten.
Weil die Heuschrecken in riesigen Schwärmen über ganze Landstriche herfallen und in sekundenschnelle Felder und Viehweiden kahl fressen, befürchtet die FAO hohe Ernteausfälle. Eine Dürre in Somalia lässt zudem das Vieh verenden und von den Heuschrecken bisher verschontes Ackerland vertrocknen.
Menschen sind bereits extrem geschwächt
In Äthiopien wiederum hat es nach heftigen Überschwemmungen im vergangenen Jahr auch in jüngster Zeit deutlich stärkere Regenfälle gegeben als üblich – optimale Gegebenheiten für Heuschrecken, um sich rasend schnell zu vermehren.
"Starke Regenfälle und die milden Winter tragen zum Überleben der großen Heuschreckenschwärme bei, die bereits geschwächte Menschen in noch größere Not treiben", sagt Esther Watts, CARE-Nothilfedirektorin in Äthiopien. Die ökonomischen und sozialen Folgen in betroffenen Regionen seien extrem.
Behörden im Kampf gegen Heuschreckenplage überfordert
Experten verweisen zwar auf die Möglichkeit, den Heuschrecken mittels biologischen und chemischen Mitteln Herr werden zu können. Allerdings sei hierfür zunächst ein konsequentes Überwachen der Regionen und frühes Aufspüren der Schwärme nötig.
"In Somalia wird aber viel zu wenig überwacht", sagt Elmi Abdi Nur. Auch in anderen betroffenen Ländern scheinen die Behörden im Kampf gegen die Heuschrecken überfordert zu sein. Internationale Katastrophenhilfe bleibt bislang weitgehend aus.
Hunderttausende Kinder in größter Not
Somit steigen Beobachtern zufolge derzeit zu wenige Flugzeuge mit Insektiziden an Bord auf, um die Wüstenheuschrecken und ihre Larven effektiv zu bekämpfen.
Schwerwiegende Folgen befürchtet auch das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen (Unicef). Bereits im vergangenen Jahr waren Hunderttausende Kinder und deren Familien nach der Heuschreckeninvasion akut mangelernährt. Die Kindersterblichkeit stieg Unicef zufolge stark an. Eine humanitäre Katastrophe, die sich nun zu wiederholen droht.