Hitze fordert Tausende Menschenleben in Deutschland. In den offiziellen Statistiken werden Hitzetote aber kaum erfasst. Woran liegt das? Der aktuelle Stand der Hitzeforschung.
Hitze tötet. "Jeden Sommer versterben mehrere Tausend Menschen zusätzlich. In den meisten Sommern sind das mehr Menschen als im Straßenverkehr versterben", sagt Stefan Muthers vom Zentrum für Medizin-Meteorologische Forschung des Deutschen Wetterdienstes (DWD). Im Bewusstsein der breiten Öffentlichkeit sei das noch nicht angekommen.
Rund 38.600 Menschen sind zwischen 2001 und 2015 in Deutschland an Hitze gestorben, so eine von Muthers mitverfasste Studie. Doch die Zahlen sind nur eine Schätzung, die Jahreswerte haben eine große Spannweite. Die offiziellen Statistiken hingegen große Lücken. "Das erschwert auf jeden Fall das ganze Ausmaß des Problems zu überblicken", sagt Muthers ZDFheute.
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Wie schlimm ist der aktuelle Hitzesommer?
Am zurückliegenden Wochenende gab es an vielen Orten in Europa Rekordtemperaturen. Wie viele Menschen das das Leben gekostet hat, ist noch unklar. "Es war keine lange Hitzewelle; in den meisten Gebieten nur zwei Tage, damit kommt der Organismus noch gut klar. Die Dauer spielt eine wichtige Rolle", sagt Muthers.
Auf der anderen Seite sei die Hitze aber sehr früh im Jahr gekommen, so der DWD-Experte Muthers. "Wir gewöhnen uns jedes Jahr im Laufe des Sommers neu an die Hitze. Wenn eine Welle früher im Jahr auftritt, hat das stärkere gesundheitliche Auswirkungen." Wie heiß und tödlich der Rest des Sommers wird, sei mit dem aktuellen Stand der Vorhersage nicht möglich zu sagen.
Wo gibt es die meisten Hitzetoten?
Hitze tritt nicht überall in Deutschland gleichermaßen auf. Regionen im Südwesten, zuletzt aber auch Brandenburg und die Donauregion sind stärker betroffen. "Das sind aber nicht zwingend auch die Regionen, wo die hitzebedingte Mortalität am höchsten ist. Es gibt zwar mehr Hitze im Süden, aber dafür sind die Menschen nicht mehr so vulnerabel", betont Muthers. "Warum das so ist, ist eine offene Forschungsfrage."
Grundsätzlich ist Hitze vor allem für ältere Menschen gefährlich, insbesondere wenn sie, etwa bettlägerig in Pflegeeinrichtungen, sich kaum selbst Kühlung verschaffen können. Auch soziale Unterschiede machen sich bemerkbar:
Wird das Problem durch den Klimawandel immer schlimmer?
Grundsätzlich nimmt die Frequenz von Hitzesommern und damit auch die Zahl der Hitzetoten durch den Klimawandel zu. "Wenn die Temperaturen im Mittelwert über die ganze Woche über 20 Grad ansteigen, dann ist vorprogrammiert, dass auch die Mortalitätsrate ansteigt", sagt RKI-Statistiker Matthias an der Heiden ZDFheute.
Doch es gebe auch eine gewisse Anpassung. "Die Hitze der letzten Dekade hat weniger Todesfälle gefordert als etwa die 2003. Den meisten Menschen ist inzwischen klargeworden, dass solche Hitzewellen öfter kommen", so an der Heiden.
Hitzewellen könnten vielleicht nicht verhindert werden, aber die negativen gesundheitlichen Effekte könne man deutlich reduzieren, sagt Muthers. "Da muss die Politik geeignete Maßnahmen ergreifen."
In Brandenburg sind am Wochenende Waldbrände auf einer Fläche von 200 Hektar ausgebrochen. Durch Hitze und Wind wurden die Flammen tagelang angefacht. Starker Regen hat die Situation am Morgen entlastet.
Was kann gegen die Hitze getan werden?
Viele individuelle Maßnahmen gegen Hitze sind naheliegend: Schatten aufsuchen, Räume kühlen, ausreichend trinken. Doch auch auf Verwaltungsebene kann mit sogenannten Hitzeaktionsplänen gegengesteuert werden: Akute Hilfe während Hitzewelle und langfristige Überlegungen bei der Stadtplanung werden darin festgehalten – angepasst an die lokalen Gegebenheiten.
Bislang ist das Erstellen solcher Pläne freiwillig, oft scheitert es an Geld und Personal. "In vielen Kommunen ist das noch gar nicht als Thema angekommen. Auch Pflegeeinrichtungen wären in der Pflicht, sich mehr damit zu beschäftigen", sagt Muthers. Andere Länder wie Frankreich seien da schon weiter.
Für den RKI-Statistiker an der Heiden können auch aus der Corona-Krise Lehren für den Hitzeschutz gezogen werden:
Viele Forschungsfragen mit Blick auf Hitze seien noch offen. "Die Hitzesterblichkeit ist nur die Spitze des Eisbergs. Was wir noch nicht gut erfassen können, ist die hitzebedingte Morbidität. Das heißt, wie sehr werden Erkrankungen durch die Hitze schlimmer, wie sehr führt Hitze zu nicht-tödlichen Erkrankungen? Das wissen wir oft noch nicht."
- Großstädter leiden besonders unter Hitze
Der Schweiß rinnt von der Stirn, das Laken klebt - gerade in großen Städten leiden Menschen bei hohen Temperaturen. Das kann nicht nur nerven, sondern auch schlimme Folgen haben.