15.000 Kinder haben die Nazis während des Holocaust ins KZ Theresienstadt deportiert. 100 von ihnen überlebten. Inge Auerbacher ist eine davon und gibt diesen Zahlen ein Gesicht.
Inge Auerbacher überlebte das KZ Theresienstadt. Sie erzählt ihre schicksalhafte Familiengeschichte. Zudem werden die geschichtlichen Hintergründe der Wannseekonferenz erläutert.
"Was man in seinem Leben erlebt hat, schmeißt man nicht weg", sagte Inge Auerbacher bei Markus Lanz, als sie einen Judenstern aus ihrer Jackentasche holte. Die 87-Jährige hat die Schrecken des Nationalsozialismus in ihrer Kindheit hautnah miterlebt.
Wenn sie sich heute den Stern ansehe, den sie als Kind tragen musste, denke sie daran, dass es großes Glück gewesen sei, den Holocaust überlebt zu haben. Gemeinsam mit ihren Eltern wurde die damals Siebenjährige ins Konzentrationslager Theresienstadt, gelegen im heutigen Tschechien, 80 Kilometer südlich von Dresden, deportiert.
Puppe Marlene war immer dabei
Ihre Puppe Marlene - benannt nach Marlene Dietrich - hatte sie mitgenommen. Diese sei immer dabei gewesen, so Auerbacher:
Der "Transport" hätte zu dieser Zeit auch immer die weitere Deportation in "den Osten" sein können - nach Auschwitz. Theresienstadt beschrieb die Holocaust-Überlebende als das "Vorzimmer von Auschwitz". Doch was in Auschwitz wirklich vor sich ging, habe Auerbacher erst nach dem Zweiten Weltkrieg verstanden.
Es gibt immer weniger Holocaust-Überlebende, die über die Gräueltaten der Nationalsozialisten berichten können.
Auerbacher: "Die Viehwaggons haben wir nicht gesehen"
Ruth Abraham, eine Freundin, die die siebenjährige Inge in Theresienstadt kennengelernt hatte, wurde von dort aus nach Auschwitz deportiert.
Im Rückblick auf ihre kindliche Perspektive sagte Auerbacher:
"Die Viehwaggons haben wir nicht gesehen. Da durften wir nicht hin." Letztlich wurde Ruth in Auschwitz umgebracht - und mit ihr insgesamt auch 20 Familienangehörige von Auerbacher.
Nur einmal pro Woche gab es Brot
In Theresienstadt habe sich immer alles um Essen gedreht. Pro Woche gab es eine Brotausgabe. Auerbacher konstatierte: "Am wichtigsten ist für den Menschen, keinen Hunger zu haben. Und Freiheit."
Die Unfreiheit erlebte Inge Auerbacher auf unmenschliche Weise. So auch am 11. November 1943, den sie als schlimmsten Tag ihres Lebens bezeichnete.
Die Holocaust-Überlebende Margot Friedländer sagt, sie werde es nie verstehen, wie so viele Menschen "ihre Hand für so was gegeben haben". "Sind wir nicht alle dasselbe, Menschen?"
Schikanen der SS-Männer
Alle Bewohner Theresienstadts seien an diesem Tag aufgefordert worden, sich für eine "Zählung" zu versammeln. Im Sumpf, bei Regen, wie sich Inge Auerbacher bei Lanz erinnerte.
Die SS-Männer hätten mit ihren Gewehren dagestanden, ohne zu schießen. Während der Schikane seien die Leute geschlagen worden, es habe an diesem Tag kein Essen gegeben:
Doch Inge Auerbacher und ihre Mutter gehorchten dem Befehl nicht. Sie hielten sich aneinander fest. Daraufhin habe ein "böser SS-Mann" die Mutter mit dem Kolben seines Gewehrs verprügelt.
Überlebende: "Muss zeigen, dass mein Leben Wert hat"
Gemeinsam mit ihren Eltern überlebte die inzwischen zehnjährige Auerbacher die Qualen Theresienstadts. Die Familie wanderte in die USA aus, wo Inge Auerbacher letztlich ein Leben als studierte Chemikerin begann. Ohne Hunger. In Freiheit.
"Ich habe keine richtige Kindheit gehabt", resümierte Auerbacher. Denn nachdem sie den Holocaust überlebt hatte, trieb sie besonders ein Gedanke um: "Ich muss einfach ein besserer Schüler sein. Ich muss zeigen, dass mein Leben Wert hat, dass ich das große Glück gehabt habe, am Leben zu bleiben für die, die nicht mehr da sind."
Appell an die jungen Menschen
Die große Frage sei, warum Menschen zu solchen Dingen wie in den Konzentrationslagern in der Lage sind, so Auerbacher. Eine Antwort darauf habe sie bis heute nicht gefunden.
Die 87-Jährige appellierte jedoch an eine Wahl, die jeder Mensch habe: "Welchen Weg gehe ich? Bleibe ich ein guter Mensch oder laufe ich den blöden Kerls nach?" Auerbacher weiter: