Wassermangel wegen Klimakrise: Der Irak trocknet aus

    Wassermangel wegen Klimakrise:Der langsame Tod: Der Irak trocknet aus

    ZDF-Studio Kairo: Golineh Atai
    von Golineh Atai
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    Der Irak gehört laut einem UN-Bericht zu den fünf am stärksten vom Klimawandel gefährdeten Ländern der Welt. Hitze und Trockenheit bedrohen die Menschen - eine Reportage.

    "Diese Gegend, wo wir stehen, war voller Obstbäume in den 1970ern. Das war wie ein Wald. Sie war so dicht bewachsen, dass wenn Sie von oben ein Bild gemacht hätten, es dunkelgrün gewesen wäre. Hier waren alle möglichen Arten von Palmenbäumen, mit einzigartigen, teuren Datteln, Zitrusfrüchte, Gemüse", erklärt mir Hassan Khalil.
    Nichts davon ist noch zu sehen. Mit dem Hydrologen der Universität Basra stehe ich am Ufer des Schatt al-Arab, des Grenzflusses zwischen Iran und Irak. Wenige Meter entfernt, auf der iranischen Seite, ist die Landschaft noch grün und einige Bäume zu erkennen. Auf der irakischen Seite wachsen nur noch Wüstenpflanzen, ist der Boden sandig. Drüben ist noch Süßwasser vorhanden und landwirtschaftliche Flächen.

    Auf versalzenen Böden wollen viele Bauern nichts anbauen

    Auf der irakischen Seite hingegen sind die Böden versalzen - und die meisten Bauern haben aufgegeben. Denn im Irak kommt immer weniger Süßwasser an. Iraks Wasser stammt fast ausschließlich aus seinen zwei Flüssen Euphrat und Tigris. Die Nachbarn stromaufwärts, Iran und Türkei, reagierten auf den Klimawandel und die zunehmenden Dürren, indem sie immer mehr Dämme bauten - und Flüsse, die im Irak münden, in eigenes Territorium umleiteten.

    Es gibt realistische Szenarien, nach denen das Land hier bald unter Salzwasser stehen wird.

    Hassan Khalil, Hydrologe der Universität Basra

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    Immer weniger Süßwasser erreicht den Irak

    Aus dem Iran, so Iraks Regierung, erhält das Land nur noch ein Zehntel der ursprünglichen Zuflussmenge, aus der Türkei nur noch ein Drittel. Die Folgen lassen sich an der Südspitze des Irak gut beobachten. In einem Land, das von Jahrzehnten des Krieges und der Misswirtschaft geprägt ist, bedeutet der Klimawandel, der zu all dem dazu kam, nichts weniger als den perfekten Sturm - oder vielmehr einen langsamen Tod, sagen Iraker.
    Das sogenannte Hammar-Marschland, ein UNESCO-Weltkulturerbe, durchzogen von tausenden Wasserkanälen, daneben Inseln mit Schilfrohrhütten, gleicht heute in weiten Teilen einer Wüste. Bauer Samir Kazem ist einer der letzten Einwohner der Feuchtgebiete Iraks.

    Es war, als ob das Wasser kochte. Die Tiere warfen sich hin und her, weil sie die Hitze nicht ertrugen.

    Samir Kazem, Bauer im Irak

    Irak: Im Sommer Temperaturen von über 55 Grad

    Die schwarzen Wasserbüffel Samir Kazems geben kaum noch Milch. Sie finden nur noch wenig grünes Schilf zum Essen - und müssen nun gefüttert werden. Viele seiner Tiere sind im Sommer verendet, bei für die Region extremen Temperaturen von über 55 Grad. Kazem überlegt, es seinen Nachbarn gleichzutun - und in die Stadt auszuwandern.
    Zehntausende Bauern im Irak haben aufgegeben und sind als Tagelöhner und Erntehelfer in die Städte gezogen - der Zustrom aus den Dörfern hält an. Die Folgen des Klimawandels im Land lassen sich - allein in den vergangenen Monaten - an einer Reihe dramatischer Entwicklungen ablesen: Vom legendären Sawa-See im Süd-Irak, in dessen mineralienreichem Wasser früher Touristen badeten, ist nichts mehr zu sehen. Er trocknete im Frühjahr aus.

    Klimawandel gefährdet auch historische Bauten

    Im Gazellenreservat neben dem See starben im Sommer Dutzende Tiere, weil sie kein schattenspendendes Laub und keine Nahrung mehr fanden. Nicht nur Mensch und Tier leiden: Auch Iraks kulturhistorische Stätten sind gefährdet. Das im Boden angesammelte Salz frisst sich durch die alten Mauern und Fundamente. Aktuell versuchen Archäologen, den Ischtar-Tempel in Babylon zu renovieren - und so an den Klimawandel anzupassen.
    In den nächsten 30 Jahren sollen die Temperaturen im Irak zwei- bis siebenmal schneller als im globalen Durchschnitt steigen, analysieren Klimaforscher. Iraks Landwirtschaft war nach den fossilen Energien das zweite ökonomische Standbein, die zweite Einkommensquelle des Landes. Die Böden Iraks gehörten zu den fruchtbarsten der Welt. All das ist nun Geschichte.

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