Nach dem Tod einer jungen Frau in Polizeigewahrsam sind im Iran erneut Tausende Menschen auf die Straße gegangen. Mehrere Personen kamen dabei ums Leben.
Erneut protestierten im Iran nach dem Tod einer jungen Frau Tausende Menschen. Bei landesweiten Protesten sind laut iranischem Staatsfernsehen insgesamt mindestens 17 Menschen gestorben. Offizielle Statistiken sollten später veröffentlicht werden. Die Organisation Iran Human Rights (IHR) mit Sitz in Oslo sprach am Donnerstag sogar von mindestens 31 toten Zivilisten durch das Vorgehen der Sicherheitskräfte.
Auf Videos, die nicht verifiziert werden konnten, wird von Schüssen mit scharfer Munition berichtet. Irans Justizchef Gholam-Hussein Mohseni-Edschehi ordnete am Donnerstag ein hartes Durchgreifen der Sicherheitskräfte bei den Protesten an.
Baerbock will Thema vor UN-Menschenrechtsrat bringen
US-Präsident Joe Biden sagte den Demonstranten in seiner Rede bei der Generaldebatte der UN-Vollversammlung am Mittwoch in New York seine Unterstützung zu.
Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) verurteilt das gewaltsame Vorgehen gegen Demonstranten im Iran scharf. Sie will das Thema vor den UN-Menschenrechtsrat bringen. Der "brutale Angriff auf die mutigen Frauen im Iran" sei "auch ein Angriff auf die Menschheit", sagte Baerbock am Donnerstag am Rande der UN-Generaldebatte in New York. "Wenn Frauen nicht sicher sind, dann ist keine Gesellschaft auf dieser Welt sicher."
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Auslöser der Demonstrationen ist der Tod der 22-jährigen Mahsa Amini. Sie war vor gut einer Woche von der Sittenpolizei wegen ihres "unislamischen Outfits" festgenommen worden. Was genau mit Amini nach ihrer Festnahme geschah, ist unklar, jedenfalls fiel sie ins Koma und starb am Freitag in einem Krankenhaus. Kritiker werfen der Moralpolizei vor, Gewalt angewendet zu haben. Die Polizei weist die Vorwürfe entschieden zurück.
Iran: Junge Menschen gehen gegen Kleidungsvorschriften auf die Straße
In zahlreichen Städten strömten die Menschen auf die Straßen. Neben regierungskritischen Slogans wurde immer öfter gerufen: "Wir kämpfen, wir sterben, wir werden uns den Iran zurückholen." Die staatlichen Medien berichteten von Demonstrationen in mindestens 13 Städten, darunter in der Hauptstadt Teheran.
In Aminis Heimatprovinz im Nordwesten, Kurdistan, erklärte der Polizeichef der Provinz, vier Demonstranten seien durch Schüsse getötet worden. In Kermanschah wurden nach Angaben der Staatsanwaltschaft zwei Demonstranten getötet. Der Staatsanwalt betonte, die Kugeln seien nicht von den Sicherheitskräften abgefeuert worden. In den Städten Schiras, Täbris und Maschhad wurden nach Medienberichten drei Angehörige einer Freiwilligentruppe der Revolutionsgarde getötet.
Instagram im Iran stark eingeschränkt
Das Internet ist massiv eingeschränkt und insbesondere mobile Netzwerke sind weitgehend abgeschaltet worden. Als eines der letzten freien sozialen Netzwerke wurde Instagram stark eingeschränkt. Unterdessen häuften sich Stimmen, die eine Lockerung der strengen Kleidungsvorschriften und damit einen Kurswechsel der Regierung fordern. "Ein Gesetz, das die Mehrheit der Gesellschaft nicht befolgt, muss revidiert werden", sagte etwa der ehemalige Bürgermeister der Hauptstadt Teheran, Gholam Hussein Karbastschi.
Auch der frühere Präsident Mohammed Chatami hatte Kritik geäußert. Sogar der Enkel des Revolutionsgründers Ajatollah Ruhollah Chomeini äußerte Kritik und forderte eine gründliche Untersuchung. Die strengen Kleidungsvorschriften gehören laut Experten aus Teheran zu den ideologischen Prinzipien der islamischen Republik. Unterstützer des Systems fürchten einen Dominoeffekt, sollte der Staat den Frauen bei der Wahl der Kleidung große Zugeständnisse machen.