In Island entsteht das weltweit erste unterirdische Magma-Observatorium. Die Forschenden hoffen, in die Magmakammer des Krafla-Vulkans bohren zu können.
Mit seinem türkisfarbenen Kratersee, Rauchschwaden und schwefelhaltigen Gasblasen ist der Krafla-Vulkan eines der eindrucksvollsten Naturwunder Islands. Hier im Nordosten des Landes bereitet sich ein internationales Forscherteam darauf vor, ins Herz des Vulkans zu bohren: In einem Projekt soll zwei Kilometer ins Erdinnere gebohrt werden, um das erste unterirdische Magma-Observatorium der Welt zu errichten.
Das Projekt hat ein Budget von 100 Millionen Dollar, 2024 sollen die ersten Bohrungen starten, beteiligt sind 38 Forschungsinstitute und Unternehmen aus elf Ländern, darunter Deutschland, die USA, Großbritannien und Frankreich.
"Noch nie unterirdisches Magma beobachtet"
Das "Krafla Magma Testbed" (KMT)-Team hofft, in die Magmakammer des Vulkans bohren zu können. Denn im Gegensatz zur ausgespuckten Lava sind die Eigenschaften des geschmolzenen Gesteins unter der Oberfläche noch immer ein Rätsel.
Nach Angaben von Paolo Papale, Vulkanologe beim italienischen Nationalinstitut für Geophysik und Vulkanologie, wird das KMT das erste Magma-Observatorium der Welt. "Wir haben noch nie unterirdisches Magma beobachtet, abgesehen von Zufällen beim Bohren" in Vulkanen in Hawaii und Kenia und beim Krafla 2009.
Die Wissenschaft erhofft sich von dem Projekt Fortschritte bei der Grundlagenforschung und der Geothermie sowie für die Vorhersage von Vulkanausbrüchen. Um auf einen Ausbruch vorbereitet zu sein, sei es "entscheidend, zu wissen, wo das Magma ist", betont Papale.
Magmakammer in geringerer Tiefe als üblich
Das Magma-Observatorium ist Ergebnis einer unerwarteten Entdeckung. Als das Krafla-Geothermie-Kraftwerk 2009 erweitert wurde, stießen die Ingenieure in einer Tiefe von 2,1 Kilometern auf eine Magma-Blase. Aus dem Bohrloch schoss Rauch heraus, gleichzeitig stieg die Lava neun Meter hoch und beschädigte das Bohrgerät. Doch niemand wurde verletzt und es gab keine Eruption.
Die Vulkanologen stellten fest, dass sie sich in Reichweite einer Magmakammer mit rund 500 Millionen Kubikmeter Inhalt befanden und waren erstaunt, Magma in dieser geringen Tiefe vorzufinden: Sie hatten es erst ab 4,5 Kilometern Bohrtiefe erwartet.
Untersuchungen zufolge hatte das Magma ähnliche Eigenschaften wie bei einem Ausbruch 1724, so dass sie das Alter auf mindestens 300 Jahre datieren konnten. "Diese Entdeckung hat das Potenzial für einen enormen Durchbruch für unser Verständnis vieler verschiedener Dinge", sagt Papale - von der Entstehung der Kontinente bis hin zur Dynamik von Vulkanen und geothermischen Systemen.
Auch Stromversorger setzt auf Magma-Projekt
Der Zufallsfund war auch für den Betreiber, den staatlichen Stromversorger Landsvirkjun, ein Glücksfall. So nah an flüssigem Magma erreicht das Gestein extreme Temperaturen. Die dort erzeugte Energie ist fünf bis zehn Mal so stark wie in einem herkömmlichen Bohrloch. Landsvirkjun hofft nun, mithilfe des KMT-Projektes tiefer bohren und diese neue Energie nutzen zu können.
Doch Bohrungen in einer solch extremen Umgebung sind technisch anspruchsvoll: Das Gerät muss der durch superheißen Dampf ausgelösten Korrosion standhalten können. Das Risiko, einen Vulkanausbruch auszulösen, hält Geophysiker John Eichelberger von der Alaska-Universität in Fairbanks jedoch für gering: "Insgesamt sind ein Dutzend Bohrlöcher an drei verschiedenen Orten (auf der Welt) auf Magma gestoßen, und es ist nichts Schlimmes passiert."
von Jeremie Richard, AFP