Seit Anfang des Jahres protestieren Studierende in Istanbul gegen die Ernennung eines konservativen Rektors durch Staatschef Erdogan. Jetzt haben die Behörden hart durchgegriffen.
Seit Wochen demonstrieren Studenten in Istanbul. Jetzt haben die türkischen Behörden ihr Vorgehen gegen die Protestierenden deutlich verschärft: Am Montag wurden in der Metropole 159 Demonstranten festgenommen. Das hat das Amt des Gouverneurs von Istanbul mitgeteilt.
Die Studierenden hätte sich geweigert, ihre Versammlung aufzulösen, und das Büro des Rektors umzingelt, hieß es.
Proteste gegen Rektor
Die Proteste richten sich gegen die Ernennung eines konservativen Universitätsrektors durch Staatschef Recep Tayyip Erdogan.
An der renommierten Boğaziçi-Universität in Istanbul hat Präsident Erdoğan einen neuen Rektor eingesetzt. Dagegen protestieren die Studenten.
Im Onlinenetzdienst Twitter zirkulierende Videos zeigten, wie die Sicherheitskräfte am Montagabend mit großer Härte gegen die Demonstranten vorgingen. Die Studenten hatten zuvor am Tag friedlich protestiert.
Demonstranten fordern Freilassung
Die Demonstranten forderten nicht nur den Rücktritt des Rektors, sondern auch die Freilassung von vier Studenten - diese waren festgenommen worden, weil sie ein umstrittenes Kunstwerk mit der Regenbogenflagge der LGBTQ-Bewegung an der Bogazici-Universität ausgestellt hatten.
"LGBTQ" steht für Lesben, Schwule, Bisexuelle, Trans- und queere Menschen. Erdogan warf der LGBTQ-Bewegung am Montag im Zusammenhang mit den Studentenprotesten "Vandalismus" vor.
Vorwurf: Anstiftung zum Hass
In einer Fernsehansprache an Jungmitglieder seiner Regierungspartei AKP sagte Präsident Erdogan am Montag:
Der Anwalt der Studierenden, Levent Piskin, sagte der dpa, den verhafteten Studenten sei zunächst "Herabwürdigung religiöser Werte", später dann aber "Aufwiegelung des Volkes zu Hass und Feindschaft" vorgeworfen worden.
Zwei von ihnen befinden sich noch immer in Haft, die beiden anderen wurden unter Hausarrest gestellt.
An der renommierten Bogazici-Universität in Istanbul hat Präsident Erdogan einen neuen Rektor eingesetzt. Dagegen protestieren die Studenten. Sie sagen, dass dies ein Eingriff in die akademische Freiheit sei.
Rektoren wurden ursprünglich gewählt
Die Studentenproteste waren durch die Ernennung des ehemaligen AKP-Politikers Melih Bulu zum Rektor der Bogazici-Universität ausgelöst worden.
In früheren Jahren waren die türkischen Universitätsrektoren hochschulintern gewählt worden, doch nach dem Putsch-Versuch von 2016 sicherte sich Erdogan den Zugriff auf die Hochschulen.
-
Wie eine Nacht die Türkei veränderte
Exklusive Bilder, geheime Dokumente und Augenzeugenberichte: So zeichnet der im deutschen Exil lebende Journalist Dündar die Gräuel des gescheiterten Putsches vom Juli 2016 nach.