Wer trägt im Erzbistum Köln Verantwortung für sexuellen Missbrauch? Kardinal Woelki stellt heute ein neues Gutachten dazu vor. Das erste hält er seit einem Jahr unter Verschluss.
Heute sollen Namen genannt werden - die Namen derer, die verantwortlich sind für den sexuellen Missbrauch im größten deutschen Erzbistum. Kölns Kardinal Rainer Maria Woelki stellt ein Rechtsgutachten dazu vor, ein Jahr nach dem ursprünglich geplanten Termin.
"Die Wahrheit befreit uns", hat Woelki in einer Videobotschaft mit Blick auf das Gutachten verkündet. Die Kölner Kanzlei Gercke und Wollschläger hat den Umgang von Bistumsverantwortlichen mit Fällen sexualisierter Gewalt von 1975 bis 2018 untersucht. Bekannt ist bereits, dass es sich um 300 Opfer und 200 beschuldigte Kleriker und Laien handelt.
Woelki hält Gutachten unter Verschluss
Ende 2018 hatte Kardinal Woelki zunächst die Münchner Kanzlei Westpfahl Spilker Wastl mit einem Gutachten beauftragt. Auch hier sollte aufgezeigt werden, wie Verantwortliche im Bistum mit den Missbrauchsanschuldigungen umgegangen sind und ob sie dabei gegen Straf- und Kirchenrecht verstoßen haben.
Dann entschied der Kardinal, das Gutachten aus juristischen Gründen unter Verschluss zu halten. Offenbar befürchtete Woelki Rechtsstreitigkeiten mit namentlich genannten Kirchenleuten und gab dann das neue Gutachten in Auftrag.
Schleppende Aufklärung im Bistum Köln
Es folgte eine monatelange und heftige Debatte um die schleppende Aufklärung, die das Erzbistum Köln in eine schwere Krise brachte. Die betrifft nicht nur den Kardinal und die Kölner Bistumsleitung, sondern inzwischen die gesamte katholische Kirche in Deutschland - die sprunghaft gestiegenen Kirchenaustritte sprechen eine deutliche Sprache.
Nun soll also Klarheit geschaffen werden, ob Kirchenverantwortliche Täter geschützt und Verbrechen vertuscht haben. Woelki hat Konsequenzen angekündigt, er wolle Verantwortliche von ihren Aufgaben entbinden. Auch er selbst wolle sich den Ergebnissen des Gutachtens stellen.
Sexuellen Missbrauch nicht gemeldet
Woelki hat einen nachgewiesenen Fall schweren sexuellen Missbrauchs nicht nach Rom gemeldet. Der Düsseldorfer Pfarrer O. soll in den 70er Jahren ein Kindergartenkind missbraucht haben. Nach Bekanntwerden des Falles verzichtete Woelki 2015 auf die Meldung des ihm freundschaftlich verbundenen O. mit Hinweis auf die bereits fortgeschrittene Demenz des Pfarrers.
Auch Kardinal Woelki selbst soll den Inhalt des Gutachtens noch nicht kennen, das laut Strafrechtler Gercke in "etlichen Fällen" Pflichtverletzungen der Bistumsleitung belege, darunter auch von noch lebende Amtsträgern.
Kölner Kardinal kämpft um Glaubwürdigkeit
Mit Spannung werden nicht nur die Namen der Verantwortlichen erwartet, sondern genauso, was daraus folgt: Werden Kirchenleute suspendiert, wird es gar Rücktritte geben?
Die möglichen Konsequenzen will Kardinal Woelki erst in einigen Tagen mitteilen. Ob die Wahrheit die Bistumsleitung befreit, ist noch offen - Kölns Kardinal kämpft weiter um Glaubwürdigkeit.
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