WM-Bilanz: Katar hat gewonnen

    WM-Bilanz:Katar hat gewonnen

    ZDF-Studio Kairo: Golineh Atai
    von Golineh Atai, Doha
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    Mit der WM hat die kleine Halbinsel sich unvergesslich gemacht. Viel verändert hat sie allerdings nicht in dem Land selbst. Dafür hatte sie Strahlkraft nach außen.

    Doha bei Nacht während der Weltmeisterschaft Die nächtliche Atmosphäre auf den Straßen während der FIFA-Weltmeisterschaft, WM, Weltmeisterschaft, Fussball in Doha, Katar am 30. 11. 2022.
    Die nächtliche Atmosphäre auf den Straßen während der Fußbal-WM in Doha, Katar.
    Quelle: imago

    Wer diese Tage in Doha unterwegs ist, erlebt eine in Pink und Blau angestrahlte Stadt - und verschwenderisch viele Scheinwerfer, deren Lichter in den Himmel tanzen. Das Auge genießt die Glanzkulissen, die Eleganz der Skyline, den zur Schau gestellten Reichtum.
    Katar, Doha: Menschen laufen am Nachmittag zum Marktplatz Souq Waqif, im Hintergrund ist die Skyline mit den modernen Hochhäusern zu sehen.
    Viel Licht und Glanz: Katar wollte mit der WM unvergesslich werden: Die Fans vor Ort sind auch begeistert. 16.12.2022 | 2:37 min
    Auch wenn Katar seine selbst gesteckten touristischen Ziele nicht erreicht hat - wahrscheinlich bleiben die Besucherzahlen unter einer Million -, wird das Emirat über Jahre von seiner globalen Prominenz zehren.
    "Wir haben eine wundervolle Erfahrung gesammelt in der Organisation der WM. Und das ist für Katar nicht das Ende der Geschichte. Es wird weitere Erfolgsgeschichten geben", ist der katarische Journalist Jaber Al-Hamari überzeugt.

    Katar zeigte der Welt das wahre Image der arabischen Welt: Sie kann erfolgreich und absolut konkurrenzfähig sein.

    Jaber Al-Hamari, Journalist

    Katar und Saudi-Arabien haben sich über die WM angenähert

    Es werden folgen: die Schwimmweltmeisterschaften, die Tischtennis-WM, die Formel 1 und der Fußball-Asien-Cup. Sport werde ein zentrales politisches Instrument bleiben, erklärt der Politikwissenschaftler Danyel Reiche, der an der Georgetown-Universität in Doha forscht.
    Katar punktete bei den Nachbarn. Saudische Fans und Touristen kamen zahlreich. Vor kurzem war Doha mit Riad noch verfeindet, Saudi-Arabien für die jahrelange Land-, See- und Luft-Blockade Katars verantwortlich.
    "Der Emir hätte vor der WM bestimmt nicht gedacht, dass er sich mit einer saudischen Flagge ablichten lassen würde. Die legte er sich um den Hals, als Saudi-Arabien gegen Argentinien gewann", sagt Politikwissenschaftler Reiche. Und:

    Die WM hat den Pan-Arabismus wieder zum Leben erweckt.

    Politikwissenschaftler Danyel Reiche

    Hat die FIFA mit zweierlei Maß gemessen?

    Die Palästina-Flagge, die überall sichtbar war, verstärkte diesen vereinigenden Effekt. Arabische Fans brachten sie in die Fanzonen und Stadien, Marokkos Nationalelf hielt sie sogar auf dem Rasen in den Händen. Die Botschaft: Auch wenn die Mächtigen der arabischen Staaten längst gute Beziehungen mit Israel haben, vergessen deren Bürger Palästina nicht.
    Eine WM der Widersprüche: Obwohl durchaus politisches Symbol, wurde die Fahne - anders als Regenbogen-Armbinden und iranische Freiheitsparolen - von der FIFA und vom Gastgeber nicht geahndet.

    Katar sitzt längst am längeren Hebel

    Ob Katar sich denn durch die WM verändern werde? Nach all den Vorwürfen und Skandalen, nach all der Nähe mit der Welt, die in Doha zu Hause war? Oft gestellte Fragen, die aber verkennen, dass Katar die Welt ganz anders sieht. Das Land - der wahrscheinliche größte LNG-Exporteur der Welt und Anteilseigner westlicher Firmen - sitzt am längeren Hebel. Das weiß es auch.
    Weder haben Korruptionsskandale das politische Selbstverständnis in Doha verändert. Noch haben sich die kulturell recht konservativen Einwohner durch den Kontakt mit Besuchern spürbar gewandelt. Man spielt global, bleibt aber gerne lokal: unter sich.

    Justiert Katar seine Außenpolitik jetzt neu?

    Der religiöse und kulturelle Konservatismus ist den Katarern so teuer wie ihr kostenloser Strom, ihre ewige Arbeitsplatzsicherheit und die streng voneinander abgeschirmten Gesellschaftsschichten.
    Und was den Umgang mit Negativschlagzeilen angeht: Selbst schlechte Publicity ist Publicity für Katar. Vielleicht, so wird spekuliert, könnte es seine Außenpolitik neu justieren: mehr in Richtung Lateinamerika, Asien, Afrika - jene Länder, die Katar nicht belehrt haben, wie das Land Dinge zu tun hat.
    Das würde den allgemeinen Trend in der Region widerspiegeln: Saudi-Arabien und die Emirate orientieren sich ebenfalls in Richtung China und Indien.

    Weltverband als Hauptprofiteur
    :Die WM wie gemacht fürs "System FIFA"

    Die FIFA-WM in Katar endet. Was bleibt von diesem Ereignis, bei dem sich die FIFA auffällig ruhig verhalten hat? Obwohl sie doch Hauptakteur und vor allem auch Hauptprofiteur ist.
    von Florian Bauer
    Katar, Doha: Skyline in einem WM-Fotomotiv-Rahmen.
    Kommentar

    Die Fußball-WM hat Arabien selbstbewusst gemacht

    Auch für einfache Wanderarbeiter, die wir in der eigens für sie eingerichteten Fanzone im Industriegebiet nicht besuchen konnten, hat sich in den vergangenen Wochen nichts verändert:
    Die WM endet ohne eine Verpflichtung der FIFA oder Katars, Missbräuche auf Baustellen zu beseitigen und Todesfälle aufzuklären, bilanziert die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch. Das Endspiel war sehr passend auf Katars Nationalfeiertag, der zugleich der Internationale Tag der Migranten ist, gefallen: Ohne Migranten kein Katar.
    Für die arabisch-islamische Welt war die WM ein Booster fürs Selbstbewusstsein. Eine Weltbühne, perfekt und geschmeidig organisiert, auf der sich Katar nichts vorschreiben ließ vom Westen, weder in Sachen Alkohol noch in Sachen Toleranz und Diversität. Dazu kam noch der Aufstieg des Underdogs Marokko, der die Herzen der Region beflügelte: Ja, Arabien ist mehr als Krisen, Konflikte und Missmanagement. 
    Golineh Atai leitet das ZDF-Studio in Kairo und berichtet aus einem großen Teil des arabischen Raums.
    Thema

    Fußball-WM in Katar