WM in Katar: Vom Düsseldorfer WM-Boykott am Altbierfass

    #KeinKatarinmeinerKneipe:Düsseldorfer WM-Boykott am Altbierfass

    Redakteur Lothar Becker, ZDF-Landesstudio Nordrhein-Westfalen.
    von Lothar Becker, Düsseldorf
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    Der Düsseldorfer Altstadtwirt Daniel Vollmer boykottiert die WM und zeigt kein aktuelles Spiel in seiner Fußballkneipe. Dafür hat er im Sommer sogar einen eigenen Hashtag erfunden.

    Daniel Vollmer
    Daniel Vollmer, Inhaber vom "Retematäng" in Düsseldorf boykottiert die WM in Katar.
    Quelle: ZDF/Lothar Becker

    Die Kneipe Retematäng ist fest in Fortuna-Hand. Und die Fanszene von Fortuna Düsseldorf ist für ihre kritische Haltung zum Fußballkommerz bekannt. Das gilt auch für Wirt Daniel Vollmer. Er wird im Retematäng keine Spiele der WM in Katar zeigen. Eigens dafür hat er sich den Hashtag #KeinKatarinmeinerKneipe ausgedacht.

    Ich habe da auch an andere Kneipen gedacht, dass die Leute, die das ähnlich sehen wie wir, auch in die Kneipen gehen, die es nicht übertragen, anstatt die WM zu gucken.

    Daniel Vollmer, Inhaber Retematäng

    Und so hat das Retematäng nun nachmittags früher geöffnet, stellt Tipp-Kick-Spielfelder auf und rechnet mit der einen oder anderen Skatrunde und zeigt zeitgleich zum WM-Auftakt des DFB-Teams gegen Japan einen echten Klassiker: Deutschland gegen England bei der WM 2010 in Südafrika.

    "Retematäng" ist der Kosename der Ratinger Straße in Düsseldorf, an der sich seit Jahrhunderten Gaststätten und Brauhäuser aneinanderreihen. Der Name soll unbestätigter Weise auf einen Ausruf Napoleons zurückgehen, der im November 1811 morgens durch die Ratinger Straße ritt: Dabei beobachtete er, dass dort trotz früher Stunde bereits Altbier ausgeschenkt und getrunken wurde, woraufhin er die Straße als "Rue du Matin" also Straße des Morgens bezeichnet haben soll. Ob es an Napoleons korsischer Herkunft und einem möglichem Dialekt oder den mäßigen Französischkenntnissen der Augenzeugen lag, ist unbekannt, übrig blieb bis heute "Retematäng".

    An ihr liegt auch die gleichnamige Kneipe in der 211 Jahre später das Hashtag #KeinKatarinmeinerKneipe entstand.

    Quelle: ZDF

    Klose und Podolski statt Goretzka und Kimmich

    "Ich weiß das Ergebnis gar nicht - aufgrund meines fortgeschrittenen Alters" schmunzelt Piet (61), der zum Nicht-WM-Gucken ins Retematäng gekommen ist. Während Klose und Co. getrieben vom Ohren betäubendem Vuvuzela-Gedröhne das 1:0 machen.
    "Bei jedem Tor den Flachmann vor", ruft Duffy von der anderen Tischseite und grübelt stirnrunzelnd, ob die Partie 2010 im Elfmeterschießen endete. "Das wird heute ein lustiger Nachmittag!" Ein bisschen fühlt es sich an wie WM, nur eben ohne WM.

    Die Fußball-WM in Katar findet hier niemand gut

    Piet, Duffy und Malte sind Fortuna Fans - Ultra-Fans, wie sie sagen. Sie sind bewusst und aus Solidarität hier, um den Wirt und sein Team zu unterstützen. Piet hat eine klare Meinung zur WM in Katar: "Wir sind der festen Überzeugung, dass im Fußball extrem viel falsch läuft, nicht nur dieses Jahr, schon seit vielen Jahren und hier ist jetzt das Fass übergelaufen."
    Gäste im "Retematäng"
    Die Gäste im "Retematäng" unterstützen Daniel Vollmer.
    Quelle: ZDF/Lothar Becker

    Duffy (63) ist schon bei den olympischen Winterspielen und der WM in Russland ausgestiegen. "Und mit diesem kleinen Boykott kann ich den Wirt unterstützen. Als der das im Sommer angekündigt hat, war mir klar, wo ich vier Wochen lang bin."

    Die Hoffnung, dass andere mit dem Boykott nachziehen

    Für Malte (24) ist klar: "Die WM in einem Land stattfinden zu lassen, wo Tausende Tonnen Beton verbaut werden müssen, und dann noch Hunderte Menschen sterben, das ist sowohl klimatechnisch als auch was die Menschenrechte betrifft unter aller Sau."
    Das habe nur noch was mit kommerziellen Interessen zu tun, so Malte. "Ich hoffe, dass genug Leute das auch so machen wie wir und sich die Sponsoren vielleicht überlegen, das künftig nicht mehr so zu machen."
    Daniel Vollmer
    Daniel Vollmer, Inhaber vom "Retematäng" im Gespräch mit Gästen.
    Quelle: ZDF/Lothar Becker

    Rewe hat die Kooperation mit dem DFB bereits beendet

    Wie zum Beispiel der bisherige DFB-Werbepartner Rewe. Dessen Chef Lionel Souque erklärte am Tag vor dem Deutschland-Auftaktspiel: "Fußball ist für uns unter anderem Fair Play, Toleranz und Zusammenhalt - diese Werte halten auch wir hoch."

    Wir stehen ein für Diversität - und auch Fußball ist Diversität.

    Lionel Souque, Vorstandsvorsitzender der Rewe Group

    Daniel Vollmer sieht sich bestätigt

    Mit seiner Aktion #KeinKatarinmeinerKneipe hat Wirt Daniel Vollmer die Zeichen der Zeit früh erkannt, bewusst auf eine möglicherweise volle Hütte bei WM-Spielen verzichtet.
    Dabei schien im Sommer, als er die Idee hatte, ein mögliches Verbot der "One Love"-Binde schwer vorstellbar, ein Einknicken wichtiger nationaler Fußballverbände ob der Androhung Gelber Karten und anderen Strafen undenkbar. Heute sieht sich Vollmer in seiner Haltung bestätigt.

    Ich wohne ja auch mitten in der Altstadt, und es ist nichts los. Bei einer normalen WM hätten Leute Urlaub genommen oder früher Feierabend gemacht.

    Daniel Vollmer, Inhaber Retematäng

    "Stattdessen, keine großartige Fahnen-Deko in den Straßen, keine Stimmung, vielleicht bei den Abendspielen, die sind dann ja noch interessanter", lacht er und fügt hinzu: "Vielmehr noch uninteressanter!"
    Und so macht der fußballverrückte Wirt etwas, das er bis dahin für unmöglich hielt: Er holt seinen 3-jährigen Sohn Yuri von der Kita - während eines WM-Spiels der deutschen Fußballnationalmannschaft. Von der schönsten Nebensache der Welt wird Fußball dieser Tage zu einer echten Nebensache.

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