Der Düsseldorfer Altstadtwirt Daniel Vollmer boykottiert die WM und zeigt kein aktuelles Spiel in seiner Fußballkneipe. Dafür hat er im Sommer sogar einen eigenen Hashtag erfunden.
Die Kneipe Retematäng ist fest in Fortuna-Hand. Und die Fanszene von Fortuna Düsseldorf ist für ihre kritische Haltung zum Fußballkommerz bekannt. Das gilt auch für Wirt Daniel Vollmer. Er wird im Retematäng keine Spiele der WM in Katar zeigen. Eigens dafür hat er sich den Hashtag #KeinKatarinmeinerKneipe ausgedacht.
Und so hat das Retematäng nun nachmittags früher geöffnet, stellt Tipp-Kick-Spielfelder auf und rechnet mit der einen oder anderen Skatrunde und zeigt zeitgleich zum WM-Auftakt des DFB-Teams gegen Japan einen echten Klassiker: Deutschland gegen England bei der WM 2010 in Südafrika.
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Klose und Podolski statt Goretzka und Kimmich
"Ich weiß das Ergebnis gar nicht - aufgrund meines fortgeschrittenen Alters" schmunzelt Piet (61), der zum Nicht-WM-Gucken ins Retematäng gekommen ist. Während Klose und Co. getrieben vom Ohren betäubendem Vuvuzela-Gedröhne das 1:0 machen.
"Bei jedem Tor den Flachmann vor", ruft Duffy von der anderen Tischseite und grübelt stirnrunzelnd, ob die Partie 2010 im Elfmeterschießen endete. "Das wird heute ein lustiger Nachmittag!" Ein bisschen fühlt es sich an wie WM, nur eben ohne WM.
Die Fußball-WM in Katar findet hier niemand gut
Piet, Duffy und Malte sind Fortuna Fans - Ultra-Fans, wie sie sagen. Sie sind bewusst und aus Solidarität hier, um den Wirt und sein Team zu unterstützen. Piet hat eine klare Meinung zur WM in Katar: "Wir sind der festen Überzeugung, dass im Fußball extrem viel falsch läuft, nicht nur dieses Jahr, schon seit vielen Jahren und hier ist jetzt das Fass übergelaufen."
Duffy (63) ist schon bei den olympischen Winterspielen und der WM in Russland ausgestiegen. "Und mit diesem kleinen Boykott kann ich den Wirt unterstützen. Als der das im Sommer angekündigt hat, war mir klar, wo ich vier Wochen lang bin."
Die Hoffnung, dass andere mit dem Boykott nachziehen
Für Malte (24) ist klar: "Die WM in einem Land stattfinden zu lassen, wo Tausende Tonnen Beton verbaut werden müssen, und dann noch Hunderte Menschen sterben, das ist sowohl klimatechnisch als auch was die Menschenrechte betrifft unter aller Sau."
Das habe nur noch was mit kommerziellen Interessen zu tun, so Malte. "Ich hoffe, dass genug Leute das auch so machen wie wir und sich die Sponsoren vielleicht überlegen, das künftig nicht mehr so zu machen."
Rewe hat die Kooperation mit dem DFB bereits beendet
Wie zum Beispiel der bisherige DFB-Werbepartner Rewe. Dessen Chef Lionel Souque erklärte am Tag vor dem Deutschland-Auftaktspiel: "Fußball ist für uns unter anderem Fair Play, Toleranz und Zusammenhalt - diese Werte halten auch wir hoch."
Daniel Vollmer sieht sich bestätigt
Mit seiner Aktion #KeinKatarinmeinerKneipe hat Wirt Daniel Vollmer die Zeichen der Zeit früh erkannt, bewusst auf eine möglicherweise volle Hütte bei WM-Spielen verzichtet.
Dabei schien im Sommer, als er die Idee hatte, ein mögliches Verbot der "One Love"-Binde schwer vorstellbar, ein Einknicken wichtiger nationaler Fußballverbände ob der Androhung Gelber Karten und anderen Strafen undenkbar. Heute sieht sich Vollmer in seiner Haltung bestätigt.
"Stattdessen, keine großartige Fahnen-Deko in den Straßen, keine Stimmung, vielleicht bei den Abendspielen, die sind dann ja noch interessanter", lacht er und fügt hinzu: "Vielmehr noch uninteressanter!"
Und so macht der fußballverrückte Wirt etwas, das er bis dahin für unmöglich hielt: Er holt seinen 3-jährigen Sohn Yuri von der Kita - während eines WM-Spiels der deutschen Fußballnationalmannschaft. Von der schönsten Nebensache der Welt wird Fußball dieser Tage zu einer echten Nebensache.