Katholische Kirche: Angstfrei arbeiten - neues Arbeitsrecht

    Kommentar

    Neues Arbeitsrecht:Angstfrei arbeiten in der katholischen Kirche

    Jürgen Erbacher
    von Jürgen Erbacher
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    Die Reformen im katholischen Arbeitsrecht kommen einer kleinen Revolution gleich. Erneute Heirat und Homo-Ehe werden künftig erlaubt sein. Der Schritt war längst überfällig.

    Ein Arbeiter hängt, vor der Kulisse des Doms und der Kirche Groß St. Martin (r), eine Regenbogenfahne auf
    Der Schritt der deutschen Bischöfe war längst überfällig. Hier die Kirche Groß St. Martin in Köln.
    Quelle: dpa

    Es kommt einer kleinen Revolution gleich, was die katholischen Bischöfe jetzt beschlossen haben. Künftig müssen die meisten Mitarbeitenden in katholischen Einrichtungen keine Rechenschaft mehr über ihre private Lebensführung ablegen.
    Das heißt, auch Menschen, die in einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft leben oder nach einer Scheidung wieder geheiratet haben, müssen sich nicht länger verstecken und die Kündigung ihres Jobs befürchten. Entscheidend für das katholische Profil einer Institution ist künftig nicht mehr die private Lebensführung der Mitarbeitenden, sondern sozusagen der Geist, der in der Institution gelebt wird.
    Der Schritt war längst überfällig.

    Katholische Bischöfe unter Druck

    Die Bischöfe waren aus unterschiedlichen Richtungen unter Druck geraten. Zum einen hatten Arbeitsgerichte den Freiraum der Kirchen als Arbeitgeber immer mehr eingeschränkt. Im Februar 2019 etwa entschied das Bundesarbeitsgericht, dass die Kündigung eines Chefarztes eines katholischen Krankenhauses wegen seiner zweiten Heirat nicht rechtens war.
    Auf der anderen Seite wurde der Druck in den eigenen Reihen immer größer. Selbst der Deutsche Caritasverband als größter Arbeitgeber innerhalb der katholischen Kirche forderte seit langer Zeit eine Liberalisierung des Arbeitsrechts. Auch immer mehr Gläubige konnten nicht mehr verstehen, warum Mitarbeitende in gleichgeschlechtlichen Beziehungen oder in zweiter Ehe nicht für die Kirche arbeiten dürfen.

    Neues Arbeitsrecht: Neuregelung bringt Rechtssicherheit

    Zwar haben zuletzt viele Bistümer die alten Regeln großzügig ausgelegt, doch die Betroffenen waren dem guten Willen der Vorgesetzten oder des jeweils zuständigen Bischofs ausgesetzt. Die neue Regelung bringt jetzt die längst überfällige Rechtssicherheit. Allerdings ist noch offen, ob alle 27 Bistümer die Reform umsetzen werden. Hier ist jeder Diözesanbischof frei in seiner Entscheidung.

    Wie schon bei der letzten Arbeitsrechtsreform in der katholischen Kirche im Jahr 2015 ist zu befürchten, dass es zunächst einen Flickenteppich geben wird.

    Jürgen Erbacher

    Damals hatten die Bischöfe von Eichstätt, Passau und Regensburg die Änderungen zunächst nicht umgesetzt, zogen später aber nach, auch weil sie befürchteten, dass vor Arbeitsgerichten die unterschiedliche Behandlung keinen Bestand haben könnte.

    Transparenz und Beteiligungsmöglichkeit in der katholischen Kirche

    Revolutionär war auch der Entstehungsprozess der nun verabschiedeten "Grundordnung des kirchlichen Dienstes". Nachdem eine Arbeitsgruppe der Bischöfe im Frühjahr einen ersten Entwurf vorgelegt hatte, wurde dieser veröffentlicht und breit in den kirchlichen Institutionen und Verbänden diskutiert.
    Diese Transparenz und Möglichkeit der Beteiligung ist neu. Sie wäre auch für andere Beratungsprozesse auf dem Weg zu bischöflichen Entscheidungen wünschenswert. Sicherlich hat dazu der öffentliche Druck beigetragen, der durch die "#OutInChurch"-Kampagne entstanden ist.
    Im Januar dieses Jahres hatten sich über 100 kirchliche Mitarbeitende als bisexuell, schwul, lesbisch, transgender oder non-binär geoutet.

    Für non-binäre Menschen und Transgender bleibt Ungewissheit

    Auch die neue Ordnung hat ihre Schwächen. So hält sie trotz Betonung der Vielfalt menschlichen Lebens an der Bipolarität der menschlichen Geschlechter fest. Damit bleibt für non-binäre Menschen und Transgender weiter eine Ungewissheit. Das gilt auch für die weiterhin bestehenden Kündigungsgründe: kirchenfeindliche Betätigungen und Kirchenaustritt. In beiden Fällen bleibt ein großer Interpretationsspielraum.
    Zudem ist noch offen, was bei den Personalentscheidungen passiert, bei denen der Vatikan involviert ist. Das gilt etwa bei der Lehrerlaubnis, dem so genannten "nihil obstat" für Lehrende der katholischen Theologie an Universitäten.

    Geht der Vatikan den Reformweg mit?

    Ob der Vatikan den Reformweg der deutschen Bischöfe mitgehen wird, ist offen. Die Gespräche beim Ad Limina-Besuch der deutschen Bischöfe in der vergangenen Woche in Rom haben gerade gezeigt, dass der Papst und seine engsten Mitarbeiter die Reformideen der Mehrheit der deutschen Bischöfe sehr kritisch sehen.
    Manche Beobachter hatten nach dem heftigen Schlagabtausch vergangene Woche in Rom schon befürchtet, die Bischöfe könnten die Abstimmung über das neue Arbeitsrecht in dieser Woche aufschieben. So ist es nicht gekommen und das ist ein gutes Signal für alle, die darauf bauen, dass sich die katholische Kirche bewegt und längst überfällige Reformen anpackt.
    Jürgen Erbacher leitet die ZDF-Redaktion "Kirche und Leben katholisch".

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