Kinderbücher sind als Weihnachtsgeschenke beliebt. Es wird jedoch viel diskutiert, welches Buch sich besser eignet - gendergerecht und diversitätsbewusst oder doch ein Klassiker?
Ob "Jim Knopf", "Pippi Langstrumpf" oder "Emil und die Detektive": Viele Menschen schenken Kindern gerne Bücher, mit denen sie selbst aufgewachsen sind. Es sind die eigenen positiven Kindheitserinnerungen und der pädagogische Wert von Büchern, der die Klassiker zu beliebten Geschenken macht.
Rollenbilder und Stereotype in Kinderbüchern
Und doch sprechen sich inzwischen viele Eltern bewusst gegen diese Bücher aus. Sie kritisieren neben veralteten Rollenbildern auch rassistische Stereotypisierungen und Geschlechterklischees.
So taucht in Pippi Langstrumpf das N-Wort auf, die Darstellung des afrikanischen Jungen Jim wird als stereotyp bezeichnet - und in Emil und die Detektive haben nur Jungs die heldenhaften Hauptrollen. Die Folge: Das vermeintlich pädagogisch wertvolle Geschenk "Kinderbuch" wird zur ethischen und moralischen Herausforderung.
Sollte man Kinderbuch-Klassiker modernisieren?
Ob rückwirkend sprachliche Änderungen in den Buchklassikern notwendig sind, wird kontrovers diskutiert. Befürworter*innen einer Modernisierung plädieren unter anderem für eine Rücksichtnahme gegenüber den diskriminierten Gruppen.
"Ich glaube, dass wir absolut nichts damit gewinnen, wenn wir rassistische Begriffe wie das N-Wort oder das Z-Wort weiter reproduzieren und Menschen damit verletzen", sagt Literaturwissenschaftlerin Janina Vernal Schmidt vom Institut für deutsche Sprache und Literatur in Hildesheim.
Kinderbücher umschreiben - eine Form der Zensur?
Für Gegner*innen der Modernisierung spielt hingegen vor allem der historische Kontext eines Werks die entscheidende Rolle. Als beispielsweise Pippi zum Symbol der weiblichen Emanzipation wurde, habe die verwendete Sprache schließlich eine Legitimation besessen.
"Ich glaube, niemand wird auf die Idee kommen, Astrid Lindgren, Ottfried Preußler oder Michael Ende als Rassisten zu bezeichnen", so Baden-Württembergs Kultusministerin Dr. Susanne Eisenmann (CDU). "Ich halte es für einen Fehler, Literatur im Nachhinein zu zensieren und Begriffe zu ändern, die aus der heutigen Sicht ein Tabu sind", sagt sie. Stattdessen rät sie, zu erklären, warum die Wörter in den Büchern stehen und warum sie heute nicht mehr benutzt werden.
Jugendbuch-Expertin: Auseinandersetzung mit Rassismus notwendig
Ute Dettmar vom Institut für Jugendbuchforschung in Frankfurt schlägt vor, sich kritisch mit der Sprache, den Bildern und den Vorstellungen von Kinder- und Jugendliteratur auseinanderzusetzen und sie im historischen Kontext zu betrachten.
Kinderbuchklassiker könnten laut Dettmar dabei helfen, kulturelle oder rassistische Stereotypen, Erzählmuster und Genderrollen zu problematisieren - indem historische Kontexte, sprachliche Veränderungen und der gesellschaftliche Wandel thematisiert werden.
Vielfalt im Kinderbuch - (K)eine Selbstverständlichkeit
Während die Hautfarbe der Protagonist*innen in Klassikern überwiegend weiß ist und schwarze Personen selten oder nur stereotypisiert vorkommen, zeichnet sich dennoch eine Veränderung auf dem aktuellen Kinderbuchmarkt ab:
So auch in dem Kinderbuch "Vom Blumen Zaubern und Drachen Besiegen". Hier schreiben die Autor*innen über ihre Träume und Wünsche und zeigen die Welt gleichzeitig so divers, wie sie sie als geflüchtete Kinder in Deutschland erleben.
Vielen Kinderbüchern fehlt etwas: die Vielfalt. Die Heldinnen und Helden aus den Büchern sind meist weiß und wohlhabend.
Kinderbuchmarkt im Wandel
Auch Bücher wie "Julian ist eine Meerjungfrau" bringen Vielfalt ins Kinderzimmer. Während ein schwarzer Junge sich danach sehnt, eine Meerjungfrau zu sein, lernen Kinder in "Ein Junge wie du", dass Jungen nicht immer stark sein müssen.
Die Beispiele zeigen: Kinder- und Jugendliteratur verändert sich. Diversitätsbewusste Bücher werden immer beliebter, doch auch alte Klassiker bringen den Familien Freude. Für Letzteres schlägt Literaturwissenschaftlerin Vernal Schmidt vor, die Bücher gemeinsam zu lesen - um die Kinder für problematische Stellen zu sensibilisieren.