Offenbar gut war schon mal das Verhandlungsklima. So jedenfalls die öffentliche Wahrnehmung. Jede Menge Klimapolitik steckt nun auch im Koalitionsvertrag. Wie mag das ausgehen?
Der dickste Brocken: Es gibt fortan ein Bundesministerium für Wirtschaft und Klima, geführt von der grünen Doppelspitzenhälfte Robert Habeck. Was nichts anders heißt, dass jedwede Wirtschaftspolitik durch einen klimarelevanten Check muss.
Vorhersagen lässt sich: Keine wirtschaftspolitische Entscheidung mehr, die schlecht für das Klima ist. Sonst gibt es verbale Prügel von der grünen Basis und von den Schülerinnen und Schülern von Fridays for Future.
80 Prozent sauberer Strom bis 2030
Gleichzeitig ist dann der grüne Minister Habeck in spe für das Vorankommen im Klimaschutz hauptverantwortlich. Er hat es dann in der Hand, den Ausbau der Erneuerbaren Energien (EEG) voranzutreiben – 80 Prozent sauberer Strom beispielsweise sollen ja bis 2030 die deutschen Stromnetze fluten.
Apropos Stromnetze: Die muss Habeck erst einmal ertüchtigen. Denn so wie sie im Moment ausgelegt sind, reicht es nicht für das selbstgesteckte Ökostrom-Ziel. Bisher aber gab es stets beim Leitungs- wie beim Windparkbau veritable Bürgerproteste, die sehr oft in langwierigen Gerichtsverfahren mündeten.
Ich bin gespannt, was passiert, wenn der im Koalitionsvertrag versprochene Ausbauturbo demnächst auf bundesdeutsche Realität trifft.
Immer mehr Strom-Anbieter haben grünen Strom im Angebot. Doch wie öko ist der wirklich?
Europäische Union für grünen Wasserstoff
Laut Koalitionsvertrag soll nun ökonomische Entwicklung mit ökologischer Verantwortung zusammen gedacht werden. Das ist freilich ein guter und richtiger Ansatz. Nur: Dem Zusammendenken muss auch ein Zusammenhandeln folgen.
[So kommentiert Klima-Aktivistin Luisa Neubauer im ZDF den Koalitions-Vertrag in Sachen Klima]
Beispiel Wasserstoffstrategie. Gegründet werden soll eine Europäische Union für grünen Wasserstoff (also der, der über erneuerbare Energien erzeugt wird und somit klimaneutral ist).
Bis 2030 sieht die Ampel Deutschland als Leitmarkt für diesen universellen Energieträger. Und konkurriert mit Frankreich. Präsident Macron hat längst erkannt, dass ohne Wasserstoff keine saubere Energiezukunft möglich ist und kündigte bereits im Oktober Hilfen für die heimische Industrie in Höhe von 30 Milliarden Euro an.
Eine gute Vorlage für die neue Bundesregierung: Konkrete Zahlen müssen nun auf den Tisch.
Welche Herausforderungen sind zu meistern, wenn man Wasserstoffautos flächendeckend einführen will? Harald Lesch geht der Frage von Grund auf nach.
Synthetische Kraftstoffe bleiben möglich
Aus Wasserstoff lassen sich auch synthetische Treibstoffe herstellen, passend für Verbrennungsmotoren und Flugzeugturbinen. Dieser Sprit geht als Öko-Kraftstoff durch, denn er ist klimaneutral.
[So kommentiert Klima-Aktivistin Luisa Neubauer im ZDF den Koalitions-Vertrag in Sachen Klima]
Glücklicherweise lässt der Koalitionsvertrag dafür ein Hintertürchen offen, Verbrennungsmotoren sind ok, wenn sie nachweislich mit den synthetischen Kraftstoffen betankt werden. Das ist ein Stück Technologieoffenheit, eingebracht von der FDP und absolut zu begrüßen: Niemand weiß vorherzusagen, wohin die technische Entwicklung gehen wird.
Und wenn es gelingt, Millionen Altfahrzeuge im In- und Ausland mit synthetischen Kraftstoffen zu betanken, wäre das ein großer Gewinn für den Klimaschutz.
Wäre: Denn für diese Unmengen grünen Wasserstoffs sind ebenfalls Unmengen Ökostrom erforderlich. Hier wird es eng:
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E-Autos werden oft zum unabdingbaren Beitrag für den Klimaschutz beschworen. Doch sind Fahrzeuge mit Energie aus der Steckdose tatsächlich sauberer als klassische Verbrenner?
Neu: Klima-Außenpolitik
Daher ist ein anderer Punkt im Koalitionsvertrag interessant und neu: nämlich die Gestaltung einer Klima-Außenpolitik. Was heißt, dass gezielt Partnerschaften und Kooperationen mit denjenigen Ländern angestoßen werden sollen, die von der Sonne verwöhnt werden, beziehungsweise Gunststandorte für Windparks aufweisen, und im Prinzip optimale Standorte für die Wasserstoffproduktion sind.
Neue Gaskraftwerke gegen absehbare Stromlücke
Wie schnell das geht und wie das grüne Allzweckgas dann hierher kommt, das steht im Koalitionsvertrag nicht geschrieben.
Aber dieses: Damit wir nicht in eine Stromlücke geraten – wir steigen ja nächstes Jahr aus der Atomenergie komplett aus und, wenn es nach den Koalitionären geht, "idealerweise" 2030 aus der Kohleverstromung, dann müssen neue Gaskraftwerke her.
Eine bittere Pille für die Klimaschutzaktivisten, denn Gas ist zwar klimafreundlicher als Kohle, aber eben nur klimafreundlicher. Daher müssen die neuen Gaskraftwerke in der Lage sein, auch mit Wasserstoff zu funktionieren.
Womit wir wieder bei der Frage wären, wo diese Unmengen Wasserstoff denn herkommen sollen.
Alles in allem beweist der Koalitionsvertrag: Die drei von der Ampel sind im Klimarausch angekommen. Aber wie das bei einem Rausch so ist: Bisweilen ist das Erwachen daraus schmerzhaft.
So wirkt sich Klimawandel vor Ort aus:
- Daten zum Klimawandel im Überblick
Wie hat sich das Klima bereits verändert? Wie viel CO2 haben die Länder seit 1990 eingespart? Die wichtigsten Zahlen im KlimaRadar von ZDFheute.