War die COP26 nur Bla, Bla, Bla? Ja und Nein. Die Chancen für echten Klimaschutz liegen nun wieder bei den Staaten, aber vor allem bei uns.
In der neuen Terra-X-Kolumne auf ZDFheute beschäftigen sich ZDF-Wissenschaftsjournalistinnen und -journalisten wie Harald Lesch, Mirko Drotschmann und Jasmina Neudecker jeden Sonntag mit großen Fragen der Wissenschaft - und welche Antworten die Forschung auf die Herausforderungen unserer Zeit bietet.
Haben Sie von der Klimakonferenz in Glasgow erwartet, dass Sie endlich die Verbrennung von Öl, Kohle und Gas beendet? Schöne Hoffnung, aber völlig überzogen und unerfüllbar! Sie haben gar nichts erwartet - das war eh alles für die Katz? Genauso falsch. Die COP26 war ein Erfolg und ein Desaster für den Klimaschutz gleichermaßen.
Versagen in Glasgow in einem Wort: "down"
Das Versagen der 30.000 Verhandler von Glasgow lässt sich an vielem festmachen. Nicht zuletzt an einem einzigen Wort: "down". In letzter Minute wurde im Abschlussdokument die Formulierung zum absolut notwendigen Kohleausstieg von "phase out" zu "phase down" verwässert. Statt aus der Kohle auszusteigen nimmt man sich nur vor sie zurückfahren. Indien und China sind auf die Bremse getreten.
Genauso entpuppt sich die groß gefeierte Methaninitiative bei näherem Hinschauen als Luftnummer. Mehr als 80 Staaten wollen den Ausstoß dieses Klimakillers um ein Drittel senken. Das heißt aber: Selbst im Jahr 2030 dürfen immer noch jährlich rund 400 Millionen Tonnen Methan in der Atmosphäre landen. Und wenn man genau nachrechnet, wie das der britische Umweltwissenschaftler Chris Leeds getan hat, dann bringt das Versprechen nicht eine zusätzliche Abkühlung um 0,2 Grad, sondern nur maximal 0,05 Grad. Das ist nichts.
2038 wird der letzte Tagebau seine Arbeit beenden. „Schon“ oder „erst dann“? Die deutsche Bundesregierung hat ein Gesetz zum Kohleausstieg beschlossen, das heftig umstritten ist.
Keine Einigung, wie Klimaschutz gemessen wird
Genauso wie die Ankündigung von 20 Ländern, aus der Öl- und Gasförderung auszusteigen. Kein einziges der großen Förderländer ist dabei. Wenn nur Dänemark keine neuen Bohrlizenzen mehr vergibt, was soll das bringen?
Und nicht einmal auf Regeln, wie Klimaschutz gemessen, kontrolliert und verbucht wird, konnte man sich in Glasgow einigen. Die ganze Konferenz ein einziges Versagen: zu wenig, zu spät, zu unverbindlich. Die, die uns regieren, haben nicht kapiert, dass unsere Existenz auf der Kippe steht.
Wo stehen wir und das Klima? Was haben die Verhandlungen auf dem Klimagipfel bisher gebracht und werden endlich alle Länder und Staaten an einem Strang ziehen?
Klimakonferenz nicht nur schlecht machen
Ach macht das Spaß, so drauf zu hauen. Sogar noch eine Woche danach. Die Apokalypse rauscht heran, die Sündenböcke lassen sich einfach benennen. Da läuft die Journalistenfeder heiß.
Das Problem ist nur: Ein solches Schwarz-Weiß-Bild erweist dem Klimaschutz einen Bärendienst. Die Konferenz von Glasgow in Grund und Boden zu schreiben, befördert die Haltung, dass es eh alles nix mehr bringt.
Kleine Erfolge von Glasgow sehen
Warum sollen wir uns hier mit unseren zwei Prozent globalem Treibhausgasausstoß kasteien, wenn die anderen nicht mitziehen? Warum soll ich nicht mehr in die Karibik fliegen, wenn China immer neue Kohlekraftwerke baut? Eine gefährliche Schlussfolgerung.
Denn die Erklärung von Glasgow lässt sich auch ganz anders lesen: Würden Sie als Fondsmanager wirklich noch in Unternehmen investieren, die Kohlekraftwerke bauen, wenn da was von "phase down" drin steht? Kaufen Sie sich wirklich noch einen neuen Diesel-SUV, wenn sogar die Inder unterschreiben, dass bald Schluss ist mit Verbrennern? Was werden Sie für Ihr Luxusgefährt irgendwann noch bekommen?
Umsetzung der Ziele ist entscheidend
Und welcher Ampelkoalitionär würde sich noch trauen, am geplanten deutschen Kohleausstieg bis 2038 festzuhalten, wenn die deutsche Delegation in Glasgow schon mal vorgeprescht ist und einen Ausstieg bis 2030 unterschrieben hat? Klimakonferenzen wirken indirekt, Klimaschutz muss jedes Land selbst machen.
Der damalige US-Präsident Barack Obama hat auf der Konferenz in Paris jede Menge Maßnahmen und Ziele verkündet. Es gab Tränen vor Glück. Doch umgesetzt wurde davon in den USA praktisch nichts.
Alternative Energien: die Hoffnung in der Klimakrise. Doch Sonne und Wind sind nicht immer und überall verfügbar. Was können Energiespeicher leisten und wo steht die Forschung?
Staaten müssen selbst beim Klima handeln
Eine Klimakonferenz kann zeigen, dass die Welt in Bewegung ist, laufen müssen die Länder selbst. Längst essen viele Menschen regional, kaufen keine T-Shirts, die Kinder zusammengenäht haben, und machen beim Konsumzwang nicht mehr mit. Die Werte, die uns wichtig sind, müssen wir hier vertreten und leben. Ein stabiles Klima gehört dazu.
Und im Gegensatz zum Nichtstun wird Klimaschutz auch nicht die Welt kosten. Berechnungen von Agora Energiewende zeigen, dass der Bund jährlich rund 30 Milliarden Euro in Wasserstoffnetze, e-Ladesäulen, ÖPNV und Sonstiges investieren müsste, um die Klimaziele zu erreichen. Deutlich mehr als veranschlagt, aber eigentlich nichts: Allein die Schäden durch die Überschwemmungen im Sommer waren so hoch.
Chance für Klimaschutz bei uns
Die Verantwortung fürs eigene Handeln kann man nicht bei einer Klimakonferenz mit 200 Staaten abladen. Dort diktiert der Langsamste die Geschwindigkeit und die reicht natürlich hinten und vorne nicht. Glasgow hat versagt, die Welt gemeinsam in einen Notfallmodus zu versetzten. Die Chance für echten Klimaschutz liegt jetzt bei uns.
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