Mit dem Klimawandel werden in den kommenden Jahrzehnten Agrarflächen weltweit verschwinden. Doch es könnten auch neue Anbaugebiete entstehen, sagen Wissenschaftler voraus.
Horrorszenario im Klimawandel: Permafrost-Böden tauen allmählich auf und setzen Millionen Tonnen Methan frei. Doch Forscher sagen: Die große Schmelze eröffnet auch Chancen.
Es ist das Horrorszenario im Klimawandel: Permafrostböden tauen allmählich auf und setzen Millionen Tonnen Methan frei. Doch Forscher glauben: Die Schmelze bietet auch Chancen. In den kommenden Jahrzehnten könnte es vor allem im Norden Kanadas, in Alaska und in Sibirien mehr nutzbare Flächen für Pflanzenanbau und Viehzucht geben - also in Gebieten, die bisher zu kalt für eine Bewirtschaftung sind.
In kleinem, regionalem Maßstab funktioniert diese neue Art von Landwirtschaft bereits - so wie im kanadischen Dawson im Yukon, 240 Kilometer vom Polarkreis entfernt. Auf ihrer "Kokopellie-Farm" ziehen der deutsche Auswanderer Otto Mühlbach und seine Partnerin Conny Handwerk Kohl, Kartoffeln und Salat hoch - auf tauenden Permafrostböden.
Landwirtschaft auch weiter im Norden möglich
"Mit dem Klimawandel werden mehr Menschen nach Norden ziehen und mit der Landwirtschaft beginnen", sagt Forscher Christopher Poeplau vom Braunschweiger Johann Heinrich von Thünen-Institut. Im Rahmen des Forschungsprojekts "Breaking the Ice" ist er regelmäßig in Kanada unterwegs.
Erste Ergebnisse seiner laufenden Studie zeigen: Die Bewirtschaftung verändert die Permafrostböden. Poeplau sagt:
Neuer Humus auf Permafrostböden
Es bildet sich also neuer Humus, weil die Farmer die Permafrostböden pflügen, düngen und bewässern.
Mit negativen Folgen auch für die Infrastruktur. Allein in Russland könnten demnach rund 20 Prozent aller Bauwerke und Infrastruktur gefährdet sein, so Geograf Mathias Ulrich von der Universität Leipzig.
Bauwerke durchs Auftauen der Böden gefährdet
Bereits jetzt sacken an vielen Orten die Böden ab, Straßen, Häuser und Pipelines werden beschädigt. So wie in Tschersky in Nord-Jakutien/Sibirien: Von den ehemals 12.000 Einwohnern leben nur noch rund 3.000 dort - viele Wohnhäuser sind baufällig oder bereits eingestürzt.
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Gewinner des Klimawandels: Kanada, Alaska, Russland
Trotz der zahlreichen negativen Folgen setzt Russland auch auf die Chancen, die die Erderwärmung mit sich bringt. So werden im Osten des Landes bereits Wälder abgeholzt und Sümpfe trockengelegt, Graslandschaften verschwinden, neue Felder für Weizen, Mais und Soja entstehen.
Kanada, Alaska und Russland gelten als Gewinner des Klimawandels. Dagegen werden die landwirtschaftlichen Erträge in den USA, Indien und Südeuropa langfristig sinken - als Folge des globalen Temperaturanstiegs, prophezeit Prof. Georg Guggenberger, Leiter des Instituts für Bodenkunde an der Leibniz-Universität in Hannover.
Der Klimawandel ist sichtbarer denn je. Die Notlage von indigenen Völkern weltweit wird häufig übersehen. Auch in Alaska stehen das Volk der Gwich’in und ihr Lebensraum vor existenziellen Bedrohungen.
Neue Risiken durch Bewirtschaftung
Wissenschaftler zeigen sich indes noch skeptisch gegenüber einer möglichen Ausweitung von Anbaugebieten in unberührte Landschaften - so etwa die Ökosystemforscherin Prof. Almut Arneth vom Karlsruher Institut für Technologie.
Die betroffenen Länder sind dünn besiedelt, es müssten Arbeitskräfte und Infrastruktur wie Straßen für die Transportketten zur Verfügung stehen. "Und das ist natürlich eine Investition, die müsste sich auch lohnen", so Arneth.
Unabsehbar sind zudem auch die ökologischen Folgen einer Urbarmachung der ehemaligen Permafrostgebiete. Somit liegen Chancen und Risiken der Verschiebung von Anbaugebieten gen Norden eng beieinander.
- Sibirien: Große Mengen Methan freigesetzt
Im vergangenen Jahr wurden einige Gebiete Russlands von extremer Hitze heimgesucht. Eine neue Studie zeigt: Es werden große Mengen Methan freigesetzt, wenn der Permafrost taut.