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Interview

Experte zu Virus-Infekten : Warum so viele krank sind und was helfen kann

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Die Grippewelle ist dieses Jahr besonders stark. Immunologe Tim Niehues erklärt, warum gerade so viele krank sind und was bei solchen Virus-Infekten helfen kann.

Eine Frau mit Fieberthermometer in der Hand telefoniert.
Diesen Winter sind besonder viele Menschen krank. Ein Experte erklärt, warum das so ist.
Quelle: Colourbox.de

Eine Grippewelle hat Deutschland im Griff und RS-Viren bringen viele Kinder auf Intensivstationen. Als Direktor des Zentrums für Kinder- und Jugendmedizin im Helios-Klinikum in Krefeld erfährt Tim Niehues das aus erster Hand. Welche Rolle das Immunsystem dabei spielt, erklärt er im Interview.

ZDFheute: Ist unser Immunsystem anfälliger als in den Jahren zuvor?

Tim Niehues: Nein: Das Immunsystem hat sich ja nicht geändert. Durch die Maßnahmen, die in der Pandemie stattgefunden haben, ist es zu weniger Infektionen gekommen. Das ist jetzt nicht so wahnsinnig überraschend.

Viele Medikamente werden knapp, die Krankenhäuser sind voll, planbare Operationen müssen teils verschoben werden.

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2 min
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ZDFheute: Aber warum gibt es in diesem Jahr so viele Infektionen?

Niehues: Aktuell werden die Infektionen nachgeholt, die in den letzten Jahren ausgeblieben sind. Jedes Jahr durchlaufen Virusinfektionen die Bevölkerung. Und immer dann, wenn ich eine Erkältung oder Infektion bekomme, dann wird mein Immunsystem geboostert.

In der Wintersaison ab und zu mal einen Infekt zu haben, ist wahrscheinlich gar nicht so schlecht.
Tim Niehues

Die Immunität an den Schleimhäuten ist das Entscheidende. Wenn ich viele Zellen und gut trainierte Antikörper in der Schleimhaut habe, dann werde ich zwar immer noch krank werden, aber nicht so krank, dass ich sterbe oder auf die Intensivstation muss.

ZDFheute: Warum sind so viele Kinder krank? Ist deren Immunsystem schlechter?

Niehues: Die Annahme, dass Kinder ein besonders schlechtes Immunsystem haben, ist falsch. Das Immunsystem der Kinder hat sehr viele sogenannte naive T-Lymphozyten. Das sind Zellen des Immunsystems, die an zentraler Stelle entscheidend sind. Kinder haben also eigentlich ein sehr gutes Immunsystem.

Das, was Kinder nicht haben, ist die Erfahrung mit Krankheitserregern. Die müssen alle Virusinfektionen erst einmal durchmachen und immer, wenn man das erste Mal eine Virusinfektion durchmacht, ist es natürlich potenziell gefährlich. Die Kinder sind aber besonders gut dafür ausgerüstet. Dass ein Kind im Frühkindesalter an einer Viruserkrankung verstirbt, ist eine Seltenheit.

ZDFheute: Wie arbeitet das Immunsystem?

Niehues: Die Viren wandern durch die Nasenschleimhaut durch und schon in den ersten Stunden setzt das Immunsystem ein. Und dieses wichtige Immunsystem mit den T-Lymphozyten setzt nach etwa einem Tag ein. Ein Teil der Zellen, die am ersten Tag schon reagieren, legt das Immunsystem sozusagen in einen Banktresor in der Schleimhaut ab.

Wenn man sich dann noch einmal mit dem gleichen Virus infiziert, wird der Tresor geöffnet und man hat bereits ausgebildete Zellen, die direkt die Viren bekämpfen können. So wird in den ersten Tagen nach der Infektion ein Gedächtnis gebildet.

ZDFheute: Wie kann man sich vor schweren Erkrankungen schützen?

Niehues: Impfungen - man darf die nicht so schwarz-weiß sehen. Eine Impfung schützt mich nicht vor einer Infektion. Aber wenn ich dann das richtige Virus bekomme, werde ich nicht so krank wie bei einer ersten Erkrankung ohne Impfung. Dieses erste Mal nehme ich durch die Impfung vorweg.

Besonders kleine Kinder sind derzeit von Infektionen mit RS-Virus betroffen.

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4 min
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ZDFheute: Was sind alltägliche Maßnahmen?

Niehues: Wenn man jetzt hundert Prozent vermeiden will, krank zu werden, muss man sich tatsächlich in Isolation begeben. Das geht aber ja auch nicht. Ein gewisser Kontakt mit Leuten ist notwendig.

Meiner Meinung nach können wir auch nicht alle mit Masken rumlaufen. Im Krankenhaus müssen wir das, um Vulnerable zu schützen. Es ist sehr schwierig, sich komplett gegen Virusinfektionen zu schützen, und sinnvoll ist das auch nicht.

Die Bevölkerung braucht die Virusinfektion hin und wieder mal, um das Immunsystem zu boostern.
Tim Niehues

ZDFheute: Man sollte also die Angst davor nehmen, krank zu werden?

Niehues: Absolut richtig. Angst ist kein guter Berater. Man hat natürlich Situationen, wo man auf keinen Fall eine Virusinfektion haben will. Dann ziehe ich halt mal eine Maske an für zwei Tage. Oder wenn ich einen kranken Freund besuche, macht das natürlich auch Sinn. Aber sonst kann man nicht viel dran ändern.

Bei ZDFheute live sprechen Chefärztin Beatrix Schmidt, Grünen-Politiker Janosch Dahmen und Prof. Jörg Dötsch über die Lage in Kinderkliniken.

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32 min
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ZDFheute: Wann ist das Immunsystem überlastet?

Niehues: Wenn ich mich körperlich extrem anstrenge, habe ich ein Kaloriendefizit und bin anfälliger. Auch bei psychischem Stress kann das passieren.

Das Immunsystem und das Gehirn sind eng miteinander verbunden. Da gibt es zahlreiche Botenstoffe - die kommunizieren zwischen Gehirn und Immunsystem. Und wenn gewisse Botenstoffe vom Gehirn nicht gebildet werden, dann kann das auch Auswirkungen auf das Immunsystem haben.

Das Immunsystem ist hochkomplex. Wenn man das aufzeichnen will, ist das ein U-Bahn-Plan von New York und noch viel, viel komplizierter.
Tim Niehues

ZDFheute: Wie wird man schnellstmöglich wieder fit?

Niehues: Der Körper braucht für die Bekämpfung der Infektion Kalorien. Man muss jetzt nicht tonnenweise essen, aber man sollte nicht so viele Kalorien auf andere Dinge verwenden. Man sollte sich also nicht zu früh voll belasten.

Wenn man akute Atemprobleme hat, hilft es, sich mal aufzusetzen, weil dann die Luft leichter einströmt. Es ist auf jeden Fall sinnvoll, ein bisschen körperliche Aktivität zu behalten, weil man sich sonst Thrombosen holen kann. Genug Flüssigkeit zu trinken, ist auch wichtig.

Die Medikamente für die viralen Infektionen sind fast alle nicht brauchbar.
Tim Niehues

Das Interview führte Josua Schwarz.

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