Silvester-Randalen: Wenn Rettungsdienste "Feindbilder" sind

    Interview

    Nach Silvester-Ausschreitungen:Forscher: Rettungsdienste als "Feindbilder"

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    Warum sind Rettungskräfte und Polizei in der Silvesternacht zum Ziel gewaltsamer Angriffe geworden? Forscher Zick über Gruppendynamiken und das "Feindbild" Rettungsdienste.

    Die gewalttätigen Angriffe in der Silvesternacht auf Rettungskräfte und Polizisten sorgen für Ratlosigkeit mit Blick auf die Beweggründe hinter solchen Attacken. Prof. Andreas Zick, Konflikt- und Gewaltforscher von der Universität Bielefeld, erklärt bei ZDFheute live, wie solche Gewaltausbrüche entstehen und warum ausgerechnet Rettungskräfte attackiert werden.
    Sehen Sie das ganze Interview oben im Video oder lesen Sie hier Auszüge: Andreas Zick darüber...

    ... warum dieses Silvester besonders gewaltsam war

    "Diese Silvesternacht ist ja schon im Vorfeld von vielen sehr inszeniert worden, als: 'endlich nach Corona können wir wieder frei draußen knallen, können eine Party haben'. Das heißt, die Vorerwartungen sind hoch gegangen."

    Das nutzen Gruppen aus, die dort dann eben das Erlebnis inszenieren und für sie ist das Gewalt zeigen selbst ein Erlebnis, das stärkt.

    Andreas Zick, Universität Bielefeld

    "Ich habe eigentlich damit gerechnet, als ich gesehen habe, wie viel Feuerwerk verkauft wurde und dass diese öffentlichen Räume immer wieder von Gruppen jetzt aufgesucht werden, weil man mit Gewalt Raumgewinne schaffen will."

    ... warum ausgerechnet Rettungskräfte attackiert werden

    "Die Gruppen die da unterwegs sind, wir haben Vermummte gesehen, das sind Gruppen, die haben nicht nur Ressentiments, sondern Feindbilder gegenüber Polizei und Rettungsdiensten. Diese werden als Störenfriede wahrgenommen."
    "Wir haben seit einigen Jahren einen Anstieg dieser, ich sage einmal, vorurteilsbasierten Hass-Taten. Und es gibt eben massive Stereotype und Vorurteile gegenüber den Diensten."

    Die werden gar nicht mehr als Rettungsdienste wahrgenommen, sondern als Dienstleister, die ihren Job machen sollen und möglichst nicht stören sollen.

    Andreas Zick, Universität Bielefeld

    Flammen und Böller auf einer Straße. Mehrere Menschen stehen mit dem Handy filmend davor.
    In der Silvesternacht wurden in einigen deutschen Städten Feuerwehr- und Polizeikräfte mit Böllern angegriffen. Besonders in Berlin herrschten chaotische Zustände. Einsatzkräfte fordern Konsequenzen.02.01.2023 | 1:38 min

    ... wieso Gewalt häufig aus einer Gruppe heraus entsteht

    "Es ist eine Gruppendynamik, in der dann Gruppen auch bestätigt werden. Die Gewalt erzeugt die Zugehörigkeit. Sobald die Täter vor Gericht stehen, bereuen sie, sagen sie, 'ich weiß selber gar nicht, wie ich in die Situation hineinkommen konnte'. Das liegt eben daran, dass sie das tun als Gruppen."

    ... welche Maßnahmen für die Zukunft getroffen werden müssen

    "Ich glaube, wir brauchen eine umfassende Beschäftigung mit der Frage der Gewalt in der Gesellschaft. Denn die Hass-Taten, die aufgrund von bestimmten Vorurteilen, auf stereotypen Menschenfeindlichkeiten basieren, sind in Deutschland noch relativ hoch."
    "Wir müssen uns beschäftigen mit den unterschiedlichen Facetten von Gewalt in der Gesellschaft. Mit der Gewalt, die dann in Social Media weiter historisiert wird."

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