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Terra X - die Wissens-Kolumne : Was wir aus heutigen Krisen lernen sollten

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Es sieht so aus, als ob die heutige Generation von Erwachsenen die erste Generation seit Jahrhunderten ist, die wegen der bedrohten Zukunft nicht mit ihren Kindern tauschen möchte.

Terra X - Die Wissens-Kolumne: Gert Scobel

In der neuen Terra-X-Kolumne auf ZDFheute beschäftigen sich ZDF-Wissenschaftsjournalistinnen und -journalisten wie Harald Lesch, Dirk Steffens und Jasmina Neudecker jeden Sonntag mit großen Fragen der Wissenschaft - und welche Antworten die Forschung auf die Herausforderungen unserer Zeit bietet. Den Anfang macht Gert Scobel.

Seit Jahrzehnten werden die Vielfachkrisen des Klimas, der Ökosysteme, des Ressourcenverbrauchs oder der Vernichtung der Artenvielfalt offensichtlicher. Was zur Frage führt, warum wir trotz handfester Evidenz nicht gehandelt haben und offensichtlich selbst aus fortgeschrittenen Krisen wie den derzeitigen Dürren oder Überschwemmungen nicht lernen wollen.  

Unterschiedliche Quellen für systematische Versäumnisse

Vielfachkrisen haben vielfältige Ursachen. Dass sie ineinandergreifen, macht aus komplizierten Problemen komplexe Probleme mit schwer vorherzusagender Dynamik. Entsprechend speisen sich auch systematische Versäumnisse aus einer Reihe unterschiedlicher Quellen, die ihrerseits im Dienst unterschiedlicher Entschuldungs- und Belastungsmotive stehen.

Manche der Ursachen werden besonders häufig genannt, darunter Faulheit und Bequemlichkeit, Ignoranz und Fehlervermeidung, Gier, Neo- bzw. Turbokapitalismus, der Einsatz von Fake News, schlechte Wissenschaftskommunikation, Lobbyismus, wirtschaftliche Kurzsichtigkeit oder zu schnell aufeinanderfolgende Wahlperioden in der Politik.

Klimakrise, Corona, Extremismus. Wir leben in einer Zeit von Vielfachkrisen. Aber wie können wir aus Krisen lernen und unser Verhalten ändern?

Beitragslänge:
18 min
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Schmerzhafte Prozesse der Transformation vermieden

Diese Gründe treffen hier zu, liefern dort aber nur unzureichende Erklärungen. Das verleitet zu dem (falschen) Schluss, gesellschaftliches und individuelles Versagen sei unvermeidlich und liege in der Natur der Dinge. Ausreden wie diese, deren Ziel die Abschiebung von Verantwortung ist, vor allem aber das faktische Nichthandeln haben gerade Industrieländer wie Deutschland zu Nichtentwicklungsländern gemacht. Absehbar notwendige, wenn auch schmerzhafte Prozesse der Transformation wurden vermieden oder aktiv verhindert.

Philosophisch betrachtet ist es ein Kardinalfehler, komplexe Probleme auf gewohnt lineare, am besten bürokratische Weise lösen zu wollen. Die heutigen, komplexen Lebensbedingungen verlangen eine neue, veränderbare und dynamische Mischung von Adaptivität, Kontinuität und Robustheit. Evolutionäre Veränderungen geschehen nicht nach einem logisch entworfenen Plan am Reißbrett.

In Schulen wird Umgang mit komplexen Problemen nicht erlernt

Die meisten politischen Strategien verlangen jedoch in ihrer verwaltungstechnischen Umsetzung solche linearen, wenig flexiblen Verfahren. Was außerdem fehlt ist der Wille, bereits in Schulen, Ausbildungsstätten und Universitäten neue Formen des Umgangs mit komplexen Problemen zu erlernen.

Mit Friedrich Nietzsche kann man sagen, dass wir uns aus Angst vor Unwissen und Fehlern unrealistische "Hinterwelten" vorgaukeln. Wir glauben dann, dass es ein "Jenseits" der Realität tatsächlich gibt: etwa die alle in letzter Minute erlösende, rettende Idee. Das muss längst kein religiöses Jenseits mehr sein. Es genügt die handfeste Illusion, über eine zweite Erde zu verfügen, eine "Erde B". In der Folge holen wir mehr aus den Böden, als wir sollten. Faktisch arbeiten acht Milliarden Menschen zusammen am Abbau dessen, was in hunderten von Millionen von Jahren entstanden ist.

Friedrich Wilhelm Nietzsche verkündete: "Gott ist tot!" Die Abkehr von absoluten Gewissheiten, dem sprichwörtlichen Boden unter den Füßen, brachte Freiheiten. Und Verantwortung.

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21 min
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Wir leben auf Kredit

Das "Weiter so" funktioniert trotz der Warnsignale lediglich, weil sich der kollektive Glaube an die Hinterwelt einer zweiten Erde hält. Die realen Folgen werden ausgeblendet und ersetzt durch den Glauben, uns werde irgendeine neue Technologie retten. Wir leben auf Kredit, weil wir glauben, mit unserer Phantasie die Rechnung zahlen zu können.

Dabei ist der Mensch, so Nietzsche, "weder aufrichtig, noch naiv, noch mit sich selber ehrlich und geradezu [...]".

Seine Seele schielt; sein Geist liebt Schlupfwinkel, Schleichwege und Hintertüren, alles Versteckte mutet ihn an als seine Welt, seine Sicherheit, sein Labsal; er versteht sich auf das Schweigen, das Nicht-Vergessen, das Warten, das vorläufige Sich-verkleinern, Sich-demütigen.
Friedrich Nietzsche, Philosoph

Es kommt heute auf die Realität an

Im Rückblick ist klar, dass wir die wahren Motive unseres Nicht-Handelns verdrängt und die emotionalen, psychologischen und kognitiven Verzerrungen unseres Vorgehens wegzulügen versucht haben. Aber es war eine Entscheidung, wegzusehen. Es wird andere Entscheidungen erfordern, um endlich genau hinzusehen und die notwendigen Transformationen schnellstmöglich einzuleiten.

Unser Nicht-Handeln lässt sich weder begründen noch ist es hilfreich. Im Gegenteil. Es ist, im Sinne Nietzsches, Zeit, sich erneut von unseren Ressentiments zu befreien und die "Sklavenmoral" abzulegen, die an liebgewordenen Gewohnheiten festhält. Heute kommt es auf die Realität und nicht auf schöne Hinterwelten und ferne Hoffnungen an. Jetzt geht es darum, sich mitten in die Krisen hinein zu begeben, um endlich zu handeln.

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