Auf Kuba schwelt ein Streit zwischen der nicht staatlich organisierten Kulturszene und der kommunistischen Partei. Nun zieht ein Lied den Unmut des Präsidenten auf sich.
Es ist ein eher ruhig beginnender Song: "Patria y Vida" ("Vaterland und Leben") heißt das Lied von sechs kubanischen Musikern um Yotuel Romero und Grammy-Gewinnerduo "Gente de Zona". Kubas allmächtige kommunistische - weil einzige - Partei ist erzürnt über den Song. Und offenbar auch tief besorgt.
Denn bis vor ein paar Wochen hatte die Regierung, um Präsident Miguel Diaz-Canel praktisch eine Art Monopolstellung über das, was in Kuba öffentlich zu sehen und zu hören war. Doch seit November 2020 ist alles anders, die Regierung gerät angesichts ihres Krisenmanagements zunehmend in die Defensive. Hinzu kommt eine tiefe Wirtschaftskrise, die den Unmut in der Bevölkerung wachsen lässt.
Die kubanische Regierung hat in der Corona-Krise als wirtschaftliche Maßnahme 72 sogenannte "Dollar-Läden" eröffnet. Einkaufen darf hier nur, wer mit ausländischer Währung zahlt.
Künstler reagieren auf umstrittenes Dekret
Denn schon seit Monaten wehren sich jene Kulturschaffenden, die auf freie Ausübung ihrer Kunst drängen. Sie drängen auf einen Stopp eines umstrittenen Dekrets, das dem Kulturministerium die komplette Kontrolle über Auftritte von Künstlern verschafft.
Das Dekret mache jede künstlerische Betätigung von einer vorherigen Bewertung und Genehmigung durch das Kulturministerium sowie der nachträglichen Beurteilung durch "Betreuer" und Inspektoren abhängig, kritisieren die Künstler. Damit drohe praktisch ein Auftrittsverbot, wenn dem Ministerium ein Auftritt nicht passe. Die kubanische Documenta-Künstlerin Tania Bruguera kritisiert das:
Die Regierung in Havanna hat die von US-Präsident Trump angekündigte Wende in der Kuba-Politik kritisiert. Trump will Reisen nach Kuba erschweren und Geschäfte zwischen US-Firmen und dem kubanischen Militär einschränken.
Dialog? Kulturminister wird gegen Demonstranten handgreiflich
Mit der Verhaftung des afrokubanischen Rappers Denis Solis wegen Beleidigung vor einigen Wochen bekam die offene Fehde zwischen Staat und unabhängiger Kunstszene eine neue Dynamik. Die "Bewegung San Isidro", eine Gruppe von Künstlern, Journalisten und Intellektuellen, solidarisierte sich mit Solis.
Später marschierten mehr als hundert Kulturschaffende zum Kulturministerium und baten vergeblich um einen direkten Dialog. Bei einer weiteren Demo vor dem Ministerium wurde Kulturminister Alpidio Alonso gegen die Demonstranten handgreiflich. Daraufhin forderten mehr als 1.000 Kultur- und Medienschaffende in einer Resolution die Entlassung des Ministers sowie dessen Entfernung aus dem Parlament.
"Patria y Vida": Offene Kritik gegen Regierung
Die Regierung mobilisierte ihrerseits die staatlich organisierte Kunstszene, die sich demonstrativ hinter die Revolution stellte. Mit der Veröffentlichung des Songs "Patria y Vida" hat der offene Streit zwischen Regierung und unabhängiger Kunst in dieser Woche eine weitere Eskalationsstufe erreicht.
Die Musiker attackieren dabei die offizielle Politik. Sie unterlegen ihre Kritik mit Bildern von Protesten und Repressionen im Land, sprechen über Armut, Unterernährung und den stetigen Exodus junger Kubaner, die in dieser Gesellschaftsform keine Zukunft mehr sehen und lieber in ein Boot steigen und fliehen.
singen die Künstler. Eine klare Anspielung auf die Worte des 2016 verstorbenen Revolutionsführers Fidel Castro, der stets "Patria o Muerte" (Vaterland oder Tod) rief.
Attacken der Regierung gegen Künstler befeuern Konflikt
Inzwischen ist der Regierung die Kontrolle über die Entwicklung entglitten. Kubas offizielle Staatsmedien versuchen, das Lied zu diskreditieren. Die Parteizeitung "Granma" bezeichnete die Musiker gar als "Ratten". Doch die Attacken auf die Künstler steigern das Interesse an dem Lied nur weiter.
Innerhalb weniger Tage erreichte das Lied mehr als zwei Millionen Zugriffe, die kubanische Bevölkerung teilt es in den sozialen Netzwerken. Den unabhängigen kubanischen Künstlern geht es ohnehin inzwischen längst um mehr, wie Bruguera erklärt:
- Kuba lässt mehr private Unternehmer zu
Die wirtschaftliche Lage in Kuba ist seit längerem angespannt, nicht nur wegen Corona. Jetzt will die kommunistische Regierung die Wirtschaft für private Geschäfte weiter öffnen.