Kulturhauptstädte: Was den Städten am Ende vom Titel bleibt

    Berlin, Weimar, Ruhrgebiet:Was am Ende vom Titel Kulturhauptstadt bleibt

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    Chemnitz darf in diesem Jahr den Titel Kulturhauptstadt Europas tragen. Sie ist die vierte deutsche Stätte, der diese Ehre zuteil wird. Wie sind die Erfahrungen der Vorgängerinnen?

    Chemnitz-Veranstaltungsfuehrer
    Die drittgrößte Stadt Sachsens rückt dieses Jahr ins kulturelle Zentrum Europas. Zwei Millionen Besucher aus dem In- und Ausland werden erwartet, die sich auf mehr als 1.000 Veranstaltungen freuen können.04.01.2025 | 4:10 min
    Mit Chemnitz kann sich zum vierten Mal eine deutsche Stätte als Kulturhauptstadt Europas präsentieren. Die Sachsen haben dazu unter dem Titel "C the Unseen" ein Programm mit mehr als 200 Projekten gezimmert, das Kulturinteressierte aus dem In- und Ausland anlocken soll.
    Wie kann der Titel eine Stadt verändern und was bleibt in den Jahren danach? Ein Blick nach Berlin, Weimar und ins Ruhrgebiet, wo das Kulturhauptstadtjahr 2010 von einem schweren Unglück überschattet wurde.
    Chemnitz Kulturhauptstadt
    Chemnitz überrascht: 2025 wird die einstige Industriestadt Kulturhauptstadt und will mit ihrem besonderen Charme begeistern. 12.12.2024 | 2:38 min

    West-Berlin: erster deutscher Titelträger 1988

    Berlin ist noch eingemauert, als der Westteil der Stadt 1988 vierte europäische Kulturhauptstadt wird - nach Athen, Florenz und Amsterdam. Berlin ist die erste deutsche Stadt, die diesen Titel trägt. Und in Zeiten des Kalten Krieges ist das Kulturhauptstadtjahr auch ein politisches Zeichen.

    In Berlin waren stets die Einflüsse aus West und Ost, aus Nord und Süd zu spüren.

    Hans-Dietrich Genscher (FDP), ehemaliger Bundesaußenminister

    Das sagte der damalige Bundesminister des Auswärtigen, Hans-Dietrich Genscher (FDP), im November 1988 bei der Abschlussveranstaltung. Ohne diese internationale Vielfalt sei Berlin gar nicht zu denken. Wer sich hier vorstelle, stelle sich der Welt vor.
    Auch Beiträge aus der damaligen Sowjetunion zum Kulturleben Berlins - etwa Auftritte der georgischen Philharmonie - hob der 2016 gestorbene Politiker damals hervor.
    Berlin ist auch weiterhin für seine zahlreichen Kulturveranstaltungen weltweit bekannt: Dom am Lustgarten auf der Museumsinsel. Hier erstrahlt der Berliner Dom beim Festival of Lights, einem der bekanntesten Lichtfestivals weltweit.
    Berlin ist auch weiterhin für seine zahlreichen Kulturveranstaltungen weltweit bekannt: Hier erstrahlt der Berliner Dom 2024 beim Festival of Lights, einem der bekanntesten Lichtfestivals weltweit.
    Quelle: ddp

    Ein nach wie vor bekannter Spielort in der Theaterszene ist das Hebbel-Theater im Stadtteil Kreuzberg, das im Kulturhauptstadtjahr für internationale Produktionen und Gastspiele genutzt wurde. Zuvor war es kaum bekannt.

    Weimar: Klassikerstadt international gepusht

    Mehr als zehn Jahre später ist nach Berlin dann Weimar im Osten Deutschlands 1999 die Kulturhauptstadt Europas. Knapp sieben Millionen Menschen besuchen die beschauliche Stadt in Thüringen aus diesem Anlass.
    Einst wirkten dort Geistesgrößen wie Goethe, Schiller und Herder, nun rückt Weimar mit dem Titel in die Ränge früherer Kulturhauptstädte wie Paris und Athen vor.
    Besucher betrachten Plakate vor der Eröffnung des Kunstfestes Weimar auf dem Theaterplatz. Das Kunstfest Weimar ist eines der wichtigsten Festivals für zeitgenössische Kunst in Deutschland.
    "Wofür wir kämpfen" ist das Motto des größten zeitgenössischen Kunst-Festivals in Ostdeutschland. In unterschiedlichsten Projekten werden Politik und Kunst miteinander verbunden. 22.08.2024 | 2:35 min
    Der Status brachte Weimar aus Sicht der Stadtverwaltung einen Modernisierungsschub: Straßen wurden saniert, auch Teile des heutigen Unesco-Welterbes, das Stadtschloss, das Goethe-Nationalmuseum und der Bauhaus-Musterbau "Haus am Horn" wurden auf Vordermann gebracht.

    Weimar ist durch 1999 internationaler und weltoffener geworden.

    Bilanz der Stadtverwaltung

    "Geblieben ist nach Meinung vieler auch die Verortung des Vermächtnisses von Buchenwald und der Auseinandersetzung mit der NS-Zeit im Selbstverständnis der Stadt", erklärt Stadtsprecher Andy Faupel.
    Marktplatz von Weimar
    Weimar war 1999 die erste Kulturhauptstadt im Osten Deutschlands. Auf dem Foto der Marktplatz von Weimar (Archiv).
    Quelle: AP

    Bleibend ist auch ein international viel beachtetes Projekt: Der Dirigent Daniel Barenboim und der inzwischen gestorbene Kulturtheoretiker Edward Said leiteten einen Workshop mit israelischen, palästinensischen und anderen arabischen Musikern. Das so entstandene West-Eastern Divan Orchestra spielte zuletzt mehrere Konzerte im vom Krieg in Nahost geprägten Jahr 2024.
    MDR präsentiert sich als starker Partner für die Europäische Kulturhauptstadt
    2025 erwartet Chemnitz als Kulturhauptstadt Europas rund zwei Millionen Besucher. Jetzt wurde das vielfältige Programm unter dem Motto "C the Unseen" vorgestellt.25.10.2024 | 2:35 min
    Eine heftige Debatte über den Stellenwert von DDR-Kunst löste die Ausstellung "Aufstieg und Fall der Moderne" aus. Auch andere Projekte waren umstritten, zudem sorgten Angriffe von Neonazis auf Besucher und Projekte für Negativ-Schlagzeilen.

    Ruhrgebiet: Loveparade-Unglück im Kulturhauptstadtjahr

    Mit dem Ruhrgebiet trat dann 2010 erstmals eine ganze Region mit 53 Kommunen und mehr als fünf Millionen Einwohnern als Kulturhauptstadt-Veranstalter an.
    Deutschlands größter industrieller Ballungsraum hatte damals noch mehr mit Vorurteilen zu kämpfen. Doch über zehn Millionen Besucher erlebten die Region damals nicht als dreckig, arm oder kulturlos - im Gegenteil.
    Ruhrtriennale: Kultur in Industriehallen
    Die "Ruhrtriennale" zeigt seit dem Wochenende wieder hochkarätige Musik, Tanz, Kunst und Schauspiel. Über einen Monat beleben internationale Künstler aus 37 Ländern die stillgelegten Zechen.19.08.2024 | 2:35 min
    Das Programm pendelte zwischen Spitzenkultur wie einer Auftrags-Oper von Hans Werner Henze und breitenwirksamen Großveranstaltungen. Dazu gehörte ein Gesangstag für das ganze Ruhrgebiet und die Sperrung der wichtigsten Ruhr-Autobahn A40 für Kleinkunstangebote und gemeinsames Feiern an Biertischen.
    Überfällige Bahnhofsrenovierungen etwa in Essen und Dortmund wurden endlich angegangen, und es gab bedeutende Museumsbauten in Dortmund, Hagen, Duisburg und Essen.
    Vor allem die Welterbestätte Zollverein in Essen, ehemals eine Kohlezeche, hat sich seither zu einem internationalen Anziehungspunkt entwickelt.

    Der Titel hat dem Ruhrgebiet als Ziel für Kultur- und Städtetouristen einen deutlichen Schub gegeben. Davon profitieren wir bis heute.

    Garrelt Duin, Regionaldirektor

    So die Bilanz von Regionaldirektor Garrelt Duin. Das zeige sich an den Besucherzahlen: 2010 gab es in der Region 6,5 Millionen Übernachtungen, 2023 waren es 8,8 Millionen.
    Massenpanik bei der Loveparade in Duisburg 2010
    Bei einer Massenpanik bei der Loveparade in Duisburg im Juli 2010 kamen mehrere Menschen ums Leben.
    Quelle: dpa

    Doch ein großer Schatten liegt bis heute über dem sonst so fröhlichen Kulturhauptstadtjahr: Die Loveparade-Katastrophe. Bei dem Techno-Fest kam es im Juli 2010 in Duisburg zu einer Massenpanik. 21 Menschen starben und rund 500 wurden verletzt.

    Eine Person hält ein Smartphone in der Hand. Darauf ist der WhatsApp-Channel der ZDFheute zu sehen.
    Quelle: ZDF

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    Quelle: dpa

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