Warum uns Kuscheln guttut - und sogar Infektionen vorbeugt

    Interview

    Weltknuddeltag:"Von Geburt bis Tod: Umarmungen sind wichtig"

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    Heute ist Weltknuddeltag. Psychologe Prof. Sebastian Ocklenburg erklärt, warum Kuscheln unseren Hormonhaushalt positiv beeinflusst. 

    Sohn und Vater umarmen sich
    Umarmungen setzen das Bindungshormon Oxytocin in unserem Körper frei und fördern das Wohlbefinden.
    Quelle: iStock/Georgijevic

    ZDFheute: Warum tut uns Kuscheln gut? 
    Sebastian Ocklenburg: Wir Menschen sind soziale Wesen. Durch körperliche Berührungen wie Kuscheln oder Umarmungen tauschen wir positive Emotionen mit anderen Menschen aus - das tut uns gut. Gleichzeitig führt Kuscheln dazu, dass das Level an Stresshormonen reduziert und das Level an Bindungshormonen erhöht wird. Bedeutet: Wir sind weniger gestresst und bauen eine engere, emotional tiefere Beziehung zu der anderen Person auf - ganz ohne Worte.  
     

    Prof. Sebastian Ocklenburg
    Quelle: privat

    ... ist Psychologe und Professor für Forschungsmethoden an der MSH Medical School Hamburg. Seine Forschungsschwerpunkte sind unter anderem soziale Berührungen wie Umarmungen.

    ZDFheute: Was passiert in unserem Körper, wenn wir jemanden umarmen? 
    Ocklenburg: Als erstes werden bei Umarmungen spezielle Sensoren in unserer Haut angeregt und über das zentrale Nervensystem weitergeleitet. Was viele nicht wissen: Unsere Haut ist ein Sinnesorgan, über das wir Eindrücke aus unserer Umwelt wahrnehmen. Darüber wird dann angeregt, dass das Hormon Oxytocin ausgeschüttet wird. Das führt auch dazu, dass das Stresshormon Cortisol weniger ausgeschüttet wird. 
    Die Grafik zeigt, dass Umarmungen die Produktion von Glückshormonen anregen, was wiederum das Stresslevel senkt und zu Entspannung führt.
    ZDFheute: Welche Auswirkungen hat Kuscheln auf unsere Gesundheit? 
    Ocklenburg: Umarmungen können sich tatsächlich positiv auf unsere Gesundheit auswirken. Das zeigt eine amerikanische Studie. Dabei wurde Probanden ein Nasenspray mit Erkältungsviren gegeben - sie wurden also absichtlich angesteckt. Gleichzeitig wurde beobachtet, wie viel körperlichen Kontakt die Probanden zu anderen Menschen hatten. Es zeigte sich, dass diejenigen, die regelmäßig umarmt wurden, sich seltener infiziert haben, beziehungsweise eine mildere Erkältung hatten. Laut den Forschern der Studie liegt das daran, dass durch Umarmungen das Stresslevel gesenkt und dadurch das Immunsystem gestärkt wird.
    ZDFheute: Welche Rolle nimmt körperliche Nähe im Verlauf der Lebensjahre ein? 
    Ocklenburg: Grundsätzlich sind Umarmungen von der Geburt bis zum Tod wichtig für den Menschen. Vor allem zu Beginn des Lebens spielen sie die zentrale Rolle bei der emotionalen Kommunikation, sie geben Wärme und Sicherheit. Im Laufe der Jahre nehmen Umarmungen durch die Eltern ab, dafür umarmen viele mehr ihre Freunde oder Partner. Mit dem Alter nimmt dies ab, weil sich das soziale Umfeld verkleinert. Dabei sind soziale Kontakte gerade im Alter besonders wichtig. Sie spielen eine deutlich stärkere Rolle für den Selbstwert, das Erleben eines glücklichen Lebens und haben auch eine positive Wirkung auf die Gesundheit.  
    ZDFheute: Gibt es Unterschiede zwischen den Geschlechtern, sind Frauen von Natur aus nähebedürftiger? 
    Ocklenburg: Während in älteren Studien die Unterschiede zwischen Frauen und Männern noch relativ stark ausfielen, wurden in neueren Studien kaum mehr welche festgestellt. Das liegt unter anderem daran, dass sich mittlerweile immer mehr Männer umarmen. 
    ZDFheute: Kann man sagen, wie viel Kuschelzeit wir Menschen brauchen? 
    Ocklenburg: Nein, das kann man pauschal nicht sagen. Was man aber generell sagen kann, ist, dass die positiven Wirkungen erst nach längerer Dauer eintreten. Die durchschnittliche Umarmung zum Beispiel dauert drei Sekunden - dauert sie aber zehn Sekunden oder länger, werden mehr positive Emotionen freigesetzt. Nach 29 Sekunden erreicht die Oxytocin-Ausschüttung ihren Höhepunkt. 
    ZDFheute: Was raten Sie denen, die niemanden zum Kuscheln haben? 
    Ocklenburg: Wenn man das Gefühl hat, es wäre schön, jemanden in den Arm zu nehmen, kann man das ruhig kommunizieren. Wenn man zum Beispiel seine Freunde sieht, kann man sagen, dass man sich freut, sie zu sehen und gerne umarmen möchte. Wenn man gerade Mal niemanden zum Umarmen hat, kann es auch helfen, sich einfach mal selbst in den Arm zu nehmen. Einer Studie zufolge können auch Selbstumarmungen das Stresshormon Cortisol reduzieren. 
    Das Interview führte Charlotte Bauer. 
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