Während in Deutschland E-Lastenfahrräder immer populärer werden, wird in Rio de Janeiro seit Jahrzehnten ökologisch rücksichtsvoll transportiert - nur mit Muskelkraft, ohne Akku.
Acht Stunden am Tag ist Joel Goncalves do Santos auf den Straßen der brasilianischen Metropole Rio de Janeiros unterwegs. Der 48-jährige Familienvater macht seit einigen Jahren hauptberuflich das, was in Deutschland immer populärer wird: Er tritt in die Pedalen seines Lastenfahrrads. Doch anders als in Berlin, München oder Köln, wo immer mehr teure E-Bikes verwendet werden, nutzt Goncalves do Santos ausschließlich die umweltschonendste aller Antriebsarten: die eigene Muskelkraft.
Goncalves do Santos transportiert von Kingsize-Betten bis zu großen Matratzen alles, was auf seinen Lastenträger passt. "Das Einzige, was mich stört, ist, dass die Lastenauflage vorne ist. Manchmal wünsche ich mir, sie wäre hinten am Rad angebracht, dann wäre man beim Lenken etwas flexibler", erzählt er ZDFheute.
Fahrer bekommt festen Lohn, Firma zahlt Reparaturen
Ins Fitnessstudio geht der Brasilianer nicht mehr: "Wenn Du acht Stunden am Tag Lasten transportierst, ist das Training genug. Es geht hier ja auch öfter mal den Berg hinauf." Goncalves do Santos fühlt sich topfit. Er ist fest angestellt und bekommt einen festen Lohn.
Über den europäischen Luxus der bisweilen sehr teuren E-Lastenräder kann Goncalves do Santos nur schmunzeln: "Ich weiß nicht, ob die Akkus mit der großen Last eines Kingsize-Bettes nicht überfordert wären. Aber vor allem stelle ich mir vor, dass es bei kalter Witterung doch eigentlich schlecht ist, wenn man sich nicht so viel bewegt." Sein Fahrrad hat er seit einigen Jahren, er kennt jede Schraube, weiß, wenn irgendwo etwas hakt. Die Firma kommt dann für die Reparaturen auf.
Ein Beitrag gegen den Klimawandel
Von morgens 9 bis abends 18 Uhr dauert seine Schicht, meist schafft er einen oder zwei Transporte vor dem Mittagessen, am Nachmittag dann noch mal das gleiche Pensum. "Im Prinzip geht so ein Arbeitstag schnell vorbei, denn man ist ja immer von A nach B unterwegs. Da kommt keine Langeweile auf." Die Rücksichtslosigkeit mancher Autofahrer stört ihn, das hat er mit den Lastenrad-Fahrern in Deutschland gemeinsam.
Die Debatte über die Folgen des Klimawandels verfolgt Goncalves do Santos auch mit großem Interesse.
"Alles was ich brauche, sind Kalorien und die hole ich mir beim Frühstück und beim Abendessen", sagt Goncalves do Santos.
Essen mit dem Skateboard ausliefern
Auch der 42-jährige Ronison da Silva gehört zu jenen Fahrern, die ganz auf Muskelkraft setzen. Sein Fortbewegungsmittel ist allerdings deutlich kleiner: Ein Skateboard, das er mit kräftigen Tritten antreibt. Gemeinsam mit seiner Frau hat er einen Essens-Lieferservice aufgebaut: "Mir wurde auch schon angeboten, Pizzen zu transportieren, aber die Einnahmen waren nicht günstig - also habe ich mich entschieden, nur die Mahlzeiten auszuliefern, die meine Frau zubereitet."
Sein Bewegungsradius ist allerdings kleiner, als der der Lastenfahrräder. Seine "Pisten" sind die großen Straßen im Süden von Rio de Janeiro mit den weltbekannten Vierteln Copacabana oder Leblon.
Anfangs wurde er wie ein Paradiesvogel betrachtet: "Die Leute haben immer gedacht, ich würde stürzen. Aber ich bin nie gefallen. Die Aufmerksamkeit habe ich mir zunutze gemacht und auch mal Tiermützen aufgesetzt. Das war eine lustige und effektive Werbung. Inzwischen haben wir einen großen Kundenkreis. Nur wenn es regnet, liefere ich meistens zu Fuß aus. Aber auch das ist ja klimafreundlich."
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