Leder ist seit Jahrtausenden ein unentbehrliches Material für die Menschen. Nun drängen Alternativen auf den Markt. Kann Lederersatz aus Pflanzen gegerbte Tierhaut ersetzen?
Leder gilt als nachhaltiger Naturstoff, doch das Image bröckelt. Skandale um krebserregende Stoffe in Schuhen oder verseuchte Flüsse in Bangladesch haben die Branche in Verruf gebracht.
In Wolfsburg stehen die Zeichen auf Wandel. Volkswagen, Europas größter Autobauer, rüstet komplett auf Elektromobilität um. Doch der Umbruch reicht weiter. Auch die Innenausstattung der Autos soll in Zukunft nachhaltiger werden. "Leder hat einen sehr hohen ökologischen Fußabdruck", erklärt Martina Gottschling. Sie ist Ingenieurin bei Volkswagen und forscht für den Autohersteller an neuen Materialien.
Kaffeereste in Autositzen
Volkswagen ist mit seinem Vorhaben, auf tierische Produkte zu verzichten, nicht allein. Die vegane Lederindustrie wird bis 2025 auf 89,6 Milliarden US-Dollar geschätzt. Fahrzeuge werden davon einen beträchtlichen Teil ausmachen. Die Autobranche ist neben Mode- und Möbelindustrie der größte Abnehmer von Leder weltweit.
Mehrere Autobauer bieten einige ihrer Modelle bereits komplett vegan an. Derzeit ist das meistens Kunstleder aus PVC, doch das ist Erdöl-basiert.
Martina Gottschling forscht an einem ganz neuen Material: Kunstleder aus Kaffeeresten. Die trockenen Häutchen von Kaffeebohnen werden als Füllstoff für das vegane Kunstleder benutzt. So kann der PVC-Anteil reduziert werden. Der besondere Clue: Die Kaffeehäutchen fallen in der lokalen Rösterei als Abfallstoff an.
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Die Modeindustrie will nachhaltiger werden
Auch in Norditalien wird mit Abfallstoffen experimentiert. Hannes Parth ist in Südtirol zwischen Apfelhainen aufgewachsen. Dort kam ihm die Idee, die Berge von Apfelresten, die beim Saftpressen anfallen, könne man doch weiterverwenden. Nach einigen Experimenten kam ihm die Idee für einen Lederersatz. Heute produziert der 49-jährige 100 Millionen Laufmeter seiner Apfelhaut im Jahr.
Beim Bekleidungshersteller Elmar Stümpfl kommt das gut an. "Die Modeindustrie hat in den letzten 20 bis 30 Jahren nur auf Umsätze geschaut. Es ist Zeit, dass wir Verantwortung für unsere Umwelt und zukünftige Generationen übernehmen. Der Lederersatz aus Apfelresten ist ein guter Anfang."
Schuhe, Taschen und Jacken aus Kaktusleder
Was der Apfel für Südtirol bedeutet, ist der Kaktus in Mexiko. Marte Cázarez kommt ebenfalls ursprünglich aus der Modeindustrie. Auch ihm waren die Produktionsbedingungen nicht nachhaltig genug. Gemeinsam mit seinem Partner Adrian López Velarde entwickelte er einen Lederersatz aus Kakteen.
Die Pflanze braucht kaum Wasser und gibt es im Heimatland der beiden im Überfluss. Mittlerweile gibt es Schuhe, Taschen und Jacken aus Kaktusleder. Gründer und Erfinder López Velarde sagt:
Der Trend geht zum Lokalen
Lederersatz kann aus ganz unterschiedlichen Pflanzenresten hergestellt werden. Überall geht der Trend zum lokalen Produkt. Italiener flanieren mit Handtaschen aus Apfelresten durch Mailand, in Mexiko liegen Familien auf Sofas aus Kaktusleder und vielleicht laufen schon bald auch in Braunschweig Autos mit Sitzen aus Kaffeeresten aus der städtischen Rösterei vom Band.
Etwa 30 Prozent des CO2-Fußabdruckes eines Kaffees entstehen bei der Zubereitung. Green Steps zeigt nachhaltige Alternativen zum Kaffeevollautomaten.