Immer weniger Sterne zu sehen - Lichtverschmutzung steigt

    Immer weniger Sterne sichtbar:Lichtverschmutzung nimmt mehr zu als vermutet

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    Am Nachthimmel sind immer weniger Sterne zu sehen. Grund dafür ist die Lichtverschmutzung, die laut einer Studie viel stärker zunimmt als bisher angenommen.

    Die Skyline von Frankfurt am Main am Abend
    Über hell erleuchteten Städte wie Frankfurt sind Sterne kaum noch sichtbar.
    Quelle: Reuters

    Die Lichtverschmutzung in den Abend- und Nachtstunden nimmt pro Jahr um acht bis zehn Prozent zu, teilte das Deutsche Geoforschungszentrum (GFZ) in Potsdam mit. Diese Änderung sei laut einer Studie größer, als Satellitenmessungen vermuten ließen.
    Lichtverschmutzung bezeichnet die künstliche Aufhellung des Nachthimmels durch Lichtquellen wie Straßenbeleuchtung, angestrahlte Fassaden, Gebäude, Parks oder auch leuchtende digitale Werbeflächen. Sterne sind am aufgehellten Himmel kaum oder nicht erkennbar.

    Lichtverschmutzung nimmt dramatisch zu

    Für die Studie werteten die Forschenden mehr als 50.000 Beobachtungen mit bloßem Auge von sogenannten Bürgerwissenschaftlern weltweit aus den Jahren 2011 bis 2022 in wolken- und mondfreien Nächten aus. Diese repräsentieren weltweit 19.262 Standorte, davon 3.699 in Europa. Zusätzlich nutzten die Forscher ein globales Modell für die Himmelshelligkeit, das auf Satellitendaten von 2014 basiert.
    Die Forschenden um Christopher Kyba vom GFZ zeigten sich überrascht und besorgt.

    Die Geschwindigkeit, mit der Sterne für Menschen in städtischen Umgebungen unsichtbar werden, ist dramatisch.

    Christopher Kyba, GFZ

    Europa: 6,5 Prozent mehr Helligkeit pro Jahr

    Pro Jahr nehme die Himmelshelligkeit im weltweit ermittelten Durchschnitt um 9,6 Prozent pro Jahr zu, fanden die Forschenden nun heraus. Für Europa ergab sich 6,5 Prozent mehr Helligkeit pro Jahr, für Nordamerika ein Plus von 10,4 Prozent.
    Bleibe es bei dem globalen Durchschnitt von jährlich 9,6 Prozent mehr Himmelshelligkeit, bedeute das modellhaft: Ein Kind, das an einem Ort geboren wird, an dem bei seiner Geburt 250 Sterne sichtbar sind, wird dort an seinem 18. Geburtstag nur noch 100 Sterne sehen können, sagte Kyba vom GFZ.
    Diese Geschwindigkeit habe man nach der Analyse der Satellitendaten nicht erwartet. Diese deuteten vielmehr auf einen leichten Rückgang der künstlichen Helligkeit hin. Satelliten reagierten empfindlich auf Licht, das nach oben gerichtet ist.
    Allerdings sei horizontales Licht, beispielsweise von Werbung und Fassadenbeleuchtungen, für den Großteil des Himmelsleuchtens verantwortlich. Werde dieses mehr und heller, wirkte sich das nicht auf den Satellitenbildern aus. Auf die Beobachtungen der Menschen zu setzen, sei daher ein "vielversprechender Ansatz". 

    Schlafprobleme bei Menschen und Stress für Tiere

    Umweltorganisationen wie der BUND warnen vor negativen Auswirkungen auf das Ökosystem, auf Tier- und Pflanzenwelt. Beim Menschen könne ein gestörter Tag-Nacht-Rhythmus infolge wachsender nächtlicher Beleuchtung die Produktion des "Schlafhormons" Melatonin unterdrücken und Schlafstörungen verursachen.
    Laut WWF sind die Folgen etwa auch für die Insekten-Populationen schwerwiegend: Etwa die Hälfte sei nachtaktiv, sie würden in ihrem natürlichen Verhalten gestört.

    Immer mehr Lichtquellen an Häusern und anderen Bauwerken, auf Industriearealen, an Werbetafeln, entlang von Wegen und Straßen, aber auch in Parks und privaten Gärten machen die Nächte in unserer dicht besiedelten Landschaft viel heller. Sie verursachen zwar keinen sichtbaren Dreck, trotzdem spricht man dabei von Lichtverschmutzung.

    Die Lichtquellen wirken im Ökosystem wie ein Staubsauger: So zeigte eine Studie des IGB (Leibniz Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei) auf einem Versuchsfeld im Westhavelland, dass an erleuchteten Straßenlaternen bis zu 260 Mal so viele Insekten schwirren wie in der dunklen Umgebung.

    Bei dunklem Himmel kann man etwa 3.000 bis 4.000 Sterne sehen, in einer hellen Stadt kaum 100, weil die Nacht durch künstliches Licht massiv aufgehellt wird. Die Nachthelligkeit nimmt inzwischen weltweit um zwei bis sechs Prozent pro Jahr zu.

    2017 sorgte die sogenannte Krefelder Studie für Aufsehen: Demzufolge ist die Biomasse von Fluginsekten in den letzten 27 Jahren um über 75 Prozent zurückgegangen. Insekten sind auf die Unterschiede von Hell und Dunkel angewiesen. Künstliches Licht verändert das Verhalten der Insekten. Bei Nachtfaltern hat man nachgewiesen, dass die Vielfalt der gesammelten Pollen und die Fortpflanzungsaktivität der Weibchen in der Nähe der Lichtquellen abnimmt. Zudem werden die Insekten im Lichtkegel zur leichten Beute für Räuber.  

    Am 1. März 2022 trat ein neues Bundesgesetz zum Schutz der Insekten in Kraft. Demnach sollen die schädlichen Auswirkungen von Lichtverschmutzung auf Insekten eingedämmt werden. In Naturschutzgebieten gilt künftig ein grundsätzliches Verbot für neue Straßenbeleuchtungen und für leuchtende Werbeanlagen. Außerdem können der Betrieb von Himmelsstrahlern – sogenannten Skybeamern – beschränkt und Insektenfallen durch künstliche Lichtquellen verboten werden.

    Christine Elsner, ZDF-Umweltredaktion

    Quelle: dpa, AFP

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