Angela Merkel zieht im Gespräch mit der US-nigerianischen Frauenrechtlerin und Beststellerautorin Chimamanda Ngozi Adichie Resümee ihrer Amtszeit. Und bekennt sich zum Feminismus.
Quelle: Reuters
Nun hat sie es also gesagt. Bundeskanzlerin Angela Merkel bekennt sich dazu, Feministin zu sein. Im Gespräch mit Autorin Adichie am Düsseldorfer Schauspielhaus nimmt sie Bezug auf ihren Auftritt im November 2017 beim W20-Frauengipfel, als sie sich noch schwer damit tat, als Identifikationsfigur für Frauenrechte zu gelten.
Dort hatte sie gesagt, "sie wolle sich nicht mit fremden Federn schmücken". Heute erläutert sie: "Das habe ich damals auf der Bühne etwas schüchtern vorgebracht", und fügt hinzu, "ja, wir sollten alle Feministen sein". Sie schließt sich damit einem Zitat Adichies an, die mit einer Rede gleichen Titels beim TED-Talk zur weltweiten Ikone des Feminismus wurde.
Adichie Ikone für viele Frauen
In Düsseldorf gab es dafür regen Applaus, wie dieses Gespräch ohnehin in sehr wohlwollender und lockerer Atmosphäre stattfand. Großen Anteil daran hatte auch Chimamanda Ngozi Adichie, die eine wache Gesprächspartnerin ist, eine kämpferische Intellektuelle, die auf dem Podium immer wieder neugierige Gegenfragen stellt.
Adichie ist eine Ikone für viele junge Afrikanerinnen und Afro-Amerikanerinnen, eine Art Popstar der Literaturszene. Ihre bekannten Worte aus "We should all be feminists" wurden von Beyoncé in einem Hit gefeaturet, ihre Romane in 37 Sprachen übersetzt.
Schon lange wehrt sich Adichie in ihren Texten gegen die eine Geschichte, das eine Narrativ, auf das alles verkürzt wird, die "single story", wie sie sie nennt. Auch dazu hat sie eine TED-Rede gehalten, die im Netz schon über neun Millionen Mal geklickt wurde. "Die eine Story formt Klischees. Und das Problem mit Klischees ist nicht, dass sie unwahr sind, sondern dass sie unvollständig sind. Sie machen eine Geschichte zur einzigen Geschichte."
"Wir schaffen das" wichtig, um große Aufgabe zu betonen
Auch Angela Merkel kennt das mit dem einen Narrativ. Ihr Satz "Wir schaffen das" zur Flüchtlingskrise ist eine solche Verkürzung. "Dieser Satz ist nichts besonderes, er war nur in der Situation was besonderes und ich habe ihn ja auch ausgesprochen. Warum? Weil mir klar war, dass das eine große Aufgabe ist, die da auf uns zukommt und deshalb musste ich es noch mal betonen."
Die beiden Frauen auf der Bühne – so unterschiedlich sie auch erscheinen mögen, sind sich erstaunlich einig: Beiden geht es um den gesellschaftlichen Dialog, ums gegenseitige Zuhören, um Aufgeschlossenheit.
Adichie weitet den Blick auch global und bezieht das Thema Kolonialismus mit ein. "Europa hat eine moralische Verantwortung anderen Teilen der Welt gegenüber, vor allen Dingen dort, wo sich Europa in der Vergangenheit eingemischt hat“, sagt sie. Angela Merkel pflichtet ihr bei und gesteht, man sei in vielen Dingen, was Afrika beträfe noch unwissend.
Austausch über Persönliches
Den beiden Frauen gelingt ein intimes Gespräch, in dem es sogar um Persönliches wie den Tod der eigenen Eltern geht. Chimamanda Ngozi Adichie fragt die Kanzlerin abschließend, wann ihr die Last des Regierens in Europa denn am schwersten gefallen sei.
"Können sie ruhigen Gewissens nach dem 26. September aus dem Amt scheiden?" Ein kurzes entschiedenes "Ja", kommt da von Angela Merkel.
Sie habe keine Angst vor einem Vakuum, das nach in ihr 16 Jahren als Bundeskanzlerin entstehe. Stattdessen: lesen, mal sehen, worauf sie Lust habe. Sie mache erst mal nichts, und warte was so kommt. Einer Einladung Chimamanda Ngozi Adichies nach Lagos, pflichtet sie schon mal bei. Zeit zum Reisen hat sie ja demnächst.