Fünf Jahre #MeToo: Was sich in Deutschland verändert hat

    Sexualisierte Gewalt:Was #MeToo in Deutschland verändert hat

    Dorthe Ferber
    von Dorthe Ferber
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    #MeToo setzte vor fünf Jahren im Zuge der Weinstein-Enthüllungen eine Bewegung gegen sexualisierte Gewalt in Gang. Was sich durch die Debatte seither in Deutschland verändert hat.

    Eine Frau in Tokyo hält ein #MeToo-Protestplakat hoch.
    Eine Frau in Tokyo hält ein #MeToo-Protestplakat hoch.
    Quelle: Reuters

    #MeToo – ein Hashtag, unter dem Frauen plötzlich berichteten: Ihre ganz persönlichen Geschichten von sexuellem Missbrauch, von Machtmissbrauch. Vor fünf Jahren löste die Enthüllungsgeschichte über Hollywood-Mogul Harvey Weinstein auch in Deutschland eine gesellschaftliche Debatte aus.
    Seither hat #MeToo einiges in Bewegung gebracht. "Das allgemeine Bewusstsein hinsichtlich sexualisierter Gewalt ist in Deutschland gestiegen", stellt Anne Wizorek fest. Die Feministin beschäftigt sich seit langem mit dem Thema:

    #MeToo hat deutlich gezeigt, dass Machtmissbrauch nicht nur Schauspielerinnen in Hollywood betrifft, sondern Machtmissbrauch überall stattfinden kann.

    Anne Wizorek, Feministin

    Beratungsstelle "Themis" zieht "erschütternde" Bilanz

    Die Film- und Medienbranche in Deutschland reagierte umgehend auf #MeToo. Deren Berufsverbände etablierten die Beratungsstelle "Themis". Hier können Betroffene psychologische und juristische Beratung erhalten. "1.600 Anrufe, 750 Fälle sind seither eingegangen, in einem Jahr allein elf Vergewaltigungsanzeigen im beruflichen Kontext - das ist eine erschütternde Resonanz", resümiert Kristian Müller von "Themis".
    Die Betroffenen, weit überwiegend Frauen, entscheiden sich aber selten dazu, mit Hilfe von "Themis" eine formales Beschwerdeverfahren nach dem Antidiskriminierungsgesetz gegen den Arbeitgeber einzuleiten. Da es bei sexualisierter Gewalt immer auch um Machtmissbrauch gehe, bleiben Angst und Abhängigkeit im beruflichen Zusammenhang groß.

    Vertrauensstelle: Missbrauch kann überall stattfinden

    Und der Missbrauch finde nicht nur in althergebrachten Strukturen statt, sondern auch dort, wo es moderner und liberaler zugehe, sagt Müller:

    Auch in scheinbar flachen Hierarchien bleibt der Regisseur eben der Regisseur.

    Kristian Müller, Vertrauensstelle gegen sexuelle Belästigung "Themis"

    Dennoch bleibt "Themis" eine wichtiger Anlaufpunkt für immer mehr Betroffene, jüngst hat sich erst die Musikbranche angeschlossen. "Themis" bietet zudem Präventionsangebote für die Mitgliedsunternehmen. Darunter sehr Konkretes wie ein Flyer für "Zeug*innen sexueller Belästigung" mit Tipps, wie in kritischen Situation eingegriffen werden kann.

    Rechtslage erschwert Beschwerde gegen sexuelle Belästigung

    Auch die Antidiskriminierungsstelle des Bundes bemerkt eine deutlich höhere Beratungsnachfrage seit #MeToo. Problematisch sei allerdings noch immer die Rechtslage für Betroffene. Ein formales Beschwerdeverfahren muss spätestens zwei Monate nach dem Vorfall eingeleitet werden – das reiche oft nicht.

    Viele Frauen erzählen eben erst drei Monate oder noch viel später vom Übergriff und dann müssen wir ihnen sagen, dass es jetzt leider zu spät ist.

    Sebastian Bickerich, Antidiskriminierungsstelle des Bundes

    Obwohl man seit langem eine Verlängerung der Frist auf zwölf Monate fordere, habe sich bislang nichts getan. Abschreckend wirke zudem, dass Betroffene das Prozessrisiko allein tragen müssten, es gibt kein Verbandsklagerecht in diesem Bereich. Aber gerade Arbeitsrechtsprozesse enden erfahrungsgemäß oft mit einem Vergleich, was Kosten für den Kläger nach sich ziehe.

    #MeToo hat Bewusstsein für sexualisierte Gewalt geschärft

    Die Antidiskriminierungsstelle bietet Unternehmen ebenfalls Beratung an, wie sexualisierte Gewalt am Arbeitsplatz strukturell verhindert werden kann. Und sie hat auch "best practice"-Beispiele gesucht. So hat die Lufthansa #MeToo zum Anlass genommen, die betriebsinterne Kampagne "RespectLimits" zu starten, samt Videos im Intranet, Schulungen und Ansprechpersonen zum Thema; die Deutsche Bahn setzt auf Fortbildungen, Hotline sowie externe Vertrauensanwältinnen.
    #MeToo hat das Bewusstsein für Machtmissbrauch am Arbeitsplatz in Deutschland geschärft. Sexualisierte Gewalt in der Arbeitswelt aber gibt es weiterhin – davon zeugen die vielen Anrufe in den Beratungsstellen.
    Dorthe Ferber leitet das ZDF-Studio in Düsseldorf.
    Eine Frau mit geöffneten Mund, Lockenwicklern im Haar, einem Schwamm und Putzutensilien in der Hand. Bekleidet ist die Frau mit einem Bademantel.
    #MeToo hat eine neue Ära des Feminismus eingeläutet. Öffentliche Debatten über Sexismus und männlichen Machtmissbrauch scheinen eine neue Dimension angenommen zu haben. 18.08.2021 | 44:44 min

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