Oft ist die IP-Adresse einziger Hinweis auf einen Täter, wenn es um kinderpornografisches Material geht. Ohne Vorratsdatenspeicherung laufen Tausende Ermittlungen darum ins Leere.
Bei etwa jedem zehnten Hinweis auf sogenannte Kinderpornografie hat das Bundeskriminalamt (BKA) in den vergangenen Jahren keinen Zugriff mehr auf die IP-Adresse des mutmaßlichen Täters gehabt. Das geht aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine schriftliche Frage des CDU-Bundestagsabgeordneten Christoph de Vries hervor, die der Deutschen Presse-Agentur vorliegt.
Tausende IP-Adressen nicht identifiziert
Demnach gingen beim BKA in den Jahren 2017 bis 2021 von der US-Organisation NCMEC (National Center for Missing and Exploited Children) insgesamt 189.800 Hinweise auf Darstellungen von sexuellem Missbrauch an Minderjährigen ein, die nach deutschem Recht strafrechtlich relevant waren. Bei 19.150 dieser Hinweise habe die Datenabfrage bei den Providern nicht zu einer Identifizierung des benutzten Anschlusses geführt. Das Problem: Als einziger Ansatz zur Identifizierung des Täters stand die IP-Adresse zur Verfügung - die war aber bei den Unternehmen nicht mehr gespeichert.
Schätzungen zufolge haben deutschlandweit bis zu einer Million Kinder von sexuelle Gewalt betroffen. Wer ist besonders gefährdet? Wie verhält man sich, wenn ein Verdacht besteht?
Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung liegt auf Eis
Das deutsche Gesetz zur sogenannten Vorratsdatenspeicherung liegt seit 2017 auf Eis. Damals hatte die Bundesnetzagentur die Regelungen für Mindestspeicherpflichten bei Internetprovidern und Telefonanbietern vorläufig ausgesetzt - nur wenige Tage vor Inkrafttreten der Vorschriften. Anlass war damals ein Urteil des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen. Kritiker der Vorratsdatenspeicherung lehnen die massenhafte Speicherung von Internet-Verkehrsdaten unbescholtener Bürger ab.
Im Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP heißt es:
Unabhängig von künftigen Anpassungen des Strafverfahrensrechts sei festzustellen, "dass die Strafverfolgung in den letzten elf Jahren auch ohne die verpflichtende Speicherung von IP-Adressen gewährleistet werden konnte", sagte ein Sprecher des Bundesjustizministeriums auf Anfrage.
De Vries sieht das anders. Er sagte: "Für jeden, dem der Kinderschutz am Herzen liegt und der es ernst meint mit der Bekämpfung sexuellen Missbrauchs von Kindern, ist diese partielle Ohnmacht unserer Kriminalbeamten und Strafverfolgungsbehörden ein völlig inakzeptabler Zustand."