In Frankfurt beginnt der Prozess um ein pädokriminelles Netzwerk. Einer der Hauptbeschuldigten soll das Internetportal "BoysTown" von Paraguay aus betrieben haben.
Christian Manfred K. ist neben drei weiteren deutschen Männern vor dem Frankfurter Landgericht angeklagt, eine der weltweit größten Plattformen für Kinderpornografie mit über 400.000 Nutzern betrieben oder sich am Betrieb beteiligt zu haben. Der Prozess beginnt an diesem Mittwoch.
Verdächtiger versteckte sich im Dschungel von Paraguay
Im Sommer 2019 soll der Beschuldigte K. von Südamerika aus die Internetseite "BoysTown" im Darknet als Administrator federführend mit aufgebaut haben. Im Dschungel von Paraguay hatte er sich über Jahre versteckt, um sich in Deutschland offenbar drohenden Ermittlungen wegen Besitzes von Kinderpornografie zu entziehen.
Jagd auf Kinderporno-Netz
Der Weg zur Hölle im Internet führt durch den Dschungel über erdige und zugewachsene Pfade. Die Holzhütte, in der Christian Manfred K. lebte, liegt versteckt im Wald, im Norden von Paraguay. Die Unterkunft im Dschungel bot K. einige Vorteile für sein Treiben. Ein Funkmast ist nicht weit entfernt, so dass auch in der Einsamkeit des Dschungels immer eine gute Internetverbindung bestand.
Die gemeinsame Operation namens "Hades" der paraguayischen und deutschen Ermittlungsbehörden führte im Frühjahr 2021 zu seiner Festnahme.
Auf frischer Tat ertappt
Die Ermittler erwischten K. inflagranti, während er von einer Matratze aus "BoysTown" betrieb. Fotos von der Verhaftung liegen CORRECTIV und dem ZDF-Magazin "frontal" vor. Als die paraguayischen Ermittler zusammen mit BKA-Beamten die Unterkunft stürmten, war K. gerade im Netz aktiv als Administrator der Kinderporno-Seite.
Die Verhaftung musste erfolgen, solange K. am Rechner saß. Nur so erhielten die Ermittler Zugriff auf den Server, der in Moldawien steht. Ein halbes Jahr nach seiner Festnahme, im Oktober 2021, wurde K. nach Deutschland ausgeliefert.
"Frontal" und CORRECTIV konnten exklusiv Unterlagen der paraguayischen Staatsanwaltschaft einsehen, mit Zeugen sprechen und die Ermittlerinnen befragen, die an der internationalen Kooperation beteiligt waren.
Die 45-jährige Irma Llano leitet die Abteilung Cyberkriminalität der Staatsanwaltschaft von Asunción. Es sei extrem schwierig gewesen, an K. heranzukommen, und wie die die Suche nach einer Nadel im Heuhaufen.
Global agierende Plattform für Kinderpornografie
Die Opfer und Nutzer des Portals kamen, so die Ermittlerin, nicht aus Paraguay: "Die Webseite richtete sich eher an Europäer, weil dort mehr deutsch und englisch gesprochen wird, nicht spanisch", berichtet Llano. Die Kinderporno-Seite "BoysTown" sei von Deutschen betrieben worden, die den Zugang zum Forum regelten und den Betrieb überwachten.
Die über das Darknet erreichbare Plattform hatte nach Angaben der Frankfurter Generalstaatsanwaltschaft Chatbereiche in verschiedenen Sprachen. Sie habe dem internationalen Austausch von Abbildungen, die vorwiegend den sexuellen Missbrauch von Jungen darstellten, gedient. Bis zur Abschaltung der Plattform im April 2021 seien mehr als eine Million Forenbeiträge verzeichnet worden.
Weibliches Ermittlerteam
Den Ermittlerinnen aus Paraguay zufolge habe K. dabei eine zentrale Rolle gespielt: Er habe Regeln aufgestellt und deren Einhaltung überwacht, selbst pornografisches Bildmaterial hochgeladen und zur Verfügung gestellt. In der Vernehmung habe K. bestritten, Kinder auch aktiv missbraucht zu haben.
Für die Operation "Hades" hat Staatsanwältin Llano ein ausschließlich weibliches Team zusammengestellt. Frauen seien bei Kindesmissbrauch die besseren Ermittelnden, sagt sie, da Frauen oft selbst Opfer von Sexualverbrechen würden.
Zudem seien sie bei Sexualverbrechen nicht so leicht zu bestechen. Denn die Korruption in Paraguay durchdringt alle staatlichen Behörden, auch die Justiz: Bei der Organisation Transparency International liegt Paraguay auf einer 180 Länder umfassenden Liste auf Platz 128.
Weitere Deutsche wegen Kinderpornografie verhaftet
Nach der Verhaftung von K. in Paraguay zeigte sich für die Staatsanwältin Llano und ihr Team ein gefährlicher Trend: Innerhalb eines Jahres wurden dort zwei weitere Deutsche wegen Missbrauchs und Kinderpornografie verhaftet. Für die Staatsanwältin wirkt es so, als habe K. über das Darknet "Menschen mit pädosexuellen Neigungen eingeladen", nach Paraguay zu kommen. "Es ist hier offenbar leicht, Kinderpornografie zu produzieren", sagt Llano.
Die Ermittlungen zu deutschen Pädokriminellen in Paraguay sind an Llano und ihrem Team nicht spurlos vorübergegangen.
"Wir haben unsere Unschuld verloren", sagt die Staatsanwältin.
Marcus Bensmann ist von CORRECTIV und Ulrich Stoll von ZDF "frontal".