Als Comedienne Negah Amiri elf Jahre alt war, floh sie zusammen mit ihrer Mutter aus Iran. Die Proteste im Land bewegen sie sehr, lösen aber auch alte Ängste in ihr aus.
Als Comedienne Negah Amiri elf Jahre alt war, floh sie zusammen mit ihrer Mutter aus Iran nach Deutschland. Sie und ihre Mutter seien sogenannte "Fashion Flüchtlinge", scherzte Amiri oft. Die Flucht nach Deutschland sei nur deshalb nötig gewesen, da ihnen das Kopftuch einfach nicht stehen würde.
ZDF: Inwiefern ist Humor für dich eine Methode, sich mit dem Geschehen in Iran auseinanderzusetzen?
Negah Amiri: Ich glaube, der Gag von damals wird jetzt erst so richtig verstanden. Mittlerweile versteht man, was ich immer damit vermitteln wollte, warum wir hier sind.
In Comedy steckt auch Schmerz und Wahrheit. Damit kann man seine inneren Traumata und Probleme am besten verarbeiten.
ZDF: Hast du noch Kontakte in Iran?
Amiri: Ja, zu Familienmitgliedern, mit denen ich natürlich öfters telefoniere. Ich frage, wie es ihnen geht und ob alles ok ist – sofern die Internetmöglichkeiten das zulassen. Über ein VPN können viele Iraner*innen immer noch das Internet nutzen und so gucke ich jeden Tag, wie es meiner Familie geht. Der aktive Austausch ist eingeschränkt, aber möglich.
Die Europäische Union will auf das harte Vorgehen des iranischen Regimes gegen die Proteste im Land reagieren: Am Montag soll es weitere Sanktionen geben.
ZDF: Wie hast du von dem Tod von Mahsa Jina Amini erfahren?
Amiri: Ich bekam Kommentare unter Beiträgen von mir. Persische Follower*innen hatten mir geschrieben, dass eine Frau getötet wurde, weil ihr Kopftuch nicht richtig gesessen habe. Ich bin der Sache nachgegangen, noch bevor die große Öffentlichkeit davon erfuhr und war einfach schockiert. Ich habe sofort versucht, ein Bewusstsein über das zu schaffen, was in Iran passiert ist.
Die Nachricht war für mich wie eine Art Retraumatisierung. Ich habe alte Ängste gespürt, die ich schon einmal in meiner Heimat hatte.
ZDF: Bist du von denn von der Wucht der Proteste überrascht?
Amiri: Ich war sofort sehr überrascht, als ich gesehen habe, was da los ist auf den Straßen. Die Mädels ziehen ihre Kopftücher aus und tanzen im Kreis. Das sind Bilder, die ich in meiner Heimat, ich bin ja dort groß geworden, nie gesehen habe. Das ist für mich unvorstellbar.
In mehreren Städten protestieren Menschen wieder gegen Polizei und Regierung. Drei Wochen nach dem Tod einer Frau in Polizeigewahrsam ebbt die Welle von Wut und Empörung nicht ab.
ZDF: Wie schätzt du den Erfolg der Proteste ein?
Amiri: Ich hoffe natürlich, dass die Proteste eine große Auswirkung haben und das Land jetzt endlich frei wird. Ich weiß natürlich auch, wie radikal das islamische Regime sein kann, aber die Hoffnung ist da, dass die Freiheit jetzt endlich kommt. Etwas anderes wollen wir uns auch gar nicht vorstellen, außer, dass wir jetzt endlich frei sind.
ZDF: Inwiefern hilft die Solidarität aus dem Ausland den Menschen in Iran?
Amiri: Unglaublich viel! Iraner*innen brauchen jetzt eine Stimme. Jahrelang wurden sie nicht gesehen und nicht gehört, von der gesamten Welt ignoriert. Ich glaube, das Größte, was jetzt passieren kann, ist zu wissen, dass diese Menschen endlich gesehen werden. Dass gesehen wird, was mit diesen Menschen in Iran passiert. Jede Stimme zählt, alle müssen handeln.
Das Interview führte Jakob Jäger.
Comedienne Negah Amiri im Interview bei Volle Kanne:
Negah Amiri ist zu Gast bei Florian Weiss. Das sind die Themen: Ach so - Verbrauchermeldungen der Woche; Ihre Rechte am Arbeitsplatz - Talk mit Fachanwalt Jens Niehl; Wann man über rote Ampeln fahren darf; Picasso und Chanel: Freundschaft und …