In einem seiner seltenen Interviews spricht Neil Young über die USA nach Trump, den Klimawandel und wieso er das neue Album in einer Scheune in den Rocky Mountains aufgenommen hat.
Kulturzeit: Sie haben Ihr neues Album "Barn" an einem sehr außergewöhnlichen Ort mit der Band Crazy Horse live eingespielt: in einer Scheune in den Rocky Mountains. Was war die Idee dahinter?
Neil Young: Diese zerfallene Scheune aus dem 19. Jahrhundert wurde originalgetreu restauriert. Auf einmal war da ein Platz, um Musik zu machen. Und das haben wir mit dem Album gefeiert.
Die Songs sind alle in den letzten 14 Monaten entstanden. Ich versuche, mich immer in eine Situation zu versetzen, in der der Song durch mich spricht. So schreibe ich. Wenn wir dann aufnehmen wollen, übe ich nicht viel, spiele den Song möglichst wenig. Dann versuche ich immer, ihn mit dem ersten Take aufzunehmen, so dass das Gefühl voll da ist. Es geht nicht um Perfektion.
Kulturzeit: Ihre Frau Daryl Hannah hat zu diesem Projekt einen Film gemacht. Wie war es, mit ihr zusammen zu arbeiteten?
Neil Young: Es war toll! Sie weiß, dass ich bei so etwas nur an die Musik denken möchte. Auf keinen Fall will ich darüber nachdenken, wie ich gerade wohl aussehe.
Kulturzeit: Viele Texte in Ihren Songs sind recht düster, vor allem wenn es um den Klimawandel geht ...
Neil Young: Ich habe Sorge, dass wir es wirklich übel vergeigen, weil wir als Planet nicht zusammenarbeiten.
Die Natur wird es weiterhin geben, das ist nicht das Problem. Wir sind es, wir, die es so nicht weiter geben wird!
Kulturzeit: Was ist da zu tun?
Neil Young: Wir müssen endlich handeln, als seien wir eins. Uns klar machen, was uns allen droht, allen gemeinsam. Alle diese Anführer, Wladimir Putin, Xi Jinping oder Joe Biden müssen gemeinsam mit den kleineren Ländern endlich etwas tun. Das kann ich nicht aus meinem Kopf bekommen.
Kulturzeit: Ein Song heißt "Canarican" - Amerikaner zu sein, ist das mehr als bloß Bürger eines Landes zu sein?
Neil Young: Ich sehe mich als Bürger des Planeten Erde. Wir sind alle Bürger der Erde und wir haben ein Riesenproblem: den Klimawandel. Und es wäre großartig, wenn wir es gemeinsam lösen.
Kulturzeit: Sie haben Joe Biden erwähnt. Es war so viel von Spaltung die Rede in den letzten Jahren in den USA unter Trump…
Neil Young: Wer? Ich erinnere mich nicht an den Mann. Kenne ich nicht.
Kulturzeit: Heilt denn das Land jetzt?
Neil Young: Nein, ich denke, es ist noch nicht am Tiefpunkt. Es geht noch weiter runter, bevor es aufwärts geht. Es besteht eine echte Chance, dass dann das wahre Amerika wiederaufersteht. Mit den alten Werten: dass die Leute sich respektieren, sich helfen, auf Leute achten, die nicht so viel haben wie sie selbst. Diese Ideen waren für Jahrzehnte im Herzen Amerikas.
Aber in letzter Zeit gibt es nur Irrsinn und Negativität. Die Medien sind für mich sehr dafür verantwortlich, die Gefühle hoch zu pushen, die die Leute haben. Die sind wie Cheerleader bei einem Kampf.
Kulturzeit: "Heading for the West” ist ein Song, bei dem sie zurückschauen in die Zeit, als sie nach der Trennung Ihrer Eltern in die USA gekommen sind. Wie sehen Sie Ihr jüngeres Ich?
Neil Young: Dafür habe ich doch Fotos… Ich lebe wirklich gerne im Hier und Jetzt. Ich mag, wo ich bin.
Kulturzeit: Der letzte Song des Albums heißt "Don't forget Love", Vergiss die Liebe nicht. Ein Appell auch an Sie selbst?
Neil Young: Bloß eine Erinnerung, dass die Liebe immer da ist, immer ein Teil von uns ist. Sie lässt uns Kindern zulächeln, macht uns zu dem, der wir sind. Wenn wir uns mit Dingen beschäftigen, die uns beunruhigen und aufregen, müssen wir versuchen, uns an die Liebe zu erinnern und sie zulassen - bei allem was wir tun.
Kulturzeit: Vielen Dank, Neil Young!
Das Interview führte Ralf Rättig. Er ist Redakteur in der 3sat-Kulturzeit-Redaktion.