Vor dem Start der Rabattaktion für Bus und Bahn mischen sich Freude und bange Erwartung. Die Bahn setzt Sonderzüge ein, Branchenkenner fürchten dennoch "drei sehr heiße Monate".
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Wo soll es denn hingehen, nach Rügen oder an den Königsee, nach Koblenz oder Dresden? Unmittelbar vor Start der großen Sommer-Rabattaktion für Bus und Bahn scheint das Internet schier zu platzen vor Reise-Angeboten. Das große Versprechen: mit dem Neun-Euro-Ticket Deutschland entdecken! [9-Euro-Ticket: Wie man jetzt seine Reisen am besten plant.]
Niedrige "Frustrationsschwelle" bei vielen Fahrgästen
Ralf Damde kennt auch viele schöne Reiseziele in Deutschland, zu denen eine Bahnreise lohnt. Er kann auch eine ganze Reihe von Bahnstrecken aufzählen, auf denen die Züge bereits vor dem Start des Neun-Euro-Tickets "proppevoll" waren, wie er sagt.
Zwar wünscht sich Damde, der Vize-Vorsitzende des Gesamtbetriebsrats DB Regio Schiene/Bus, dass das Neun-Euro-Ticket "ein voller Erfolg wird", aber er hat auch Sorgen, dass das System überlastet werden könnte:
Im Gespräch mit ZDFheute sagt Damde, dass bei vielen Fahrgästen die "Frustrationsschwelle" seit längerem bereits tief liege.
Vorfreude beim Unternehmen, Sorgen beim Personal
"Wenn die Züge dann überfüllt sind, tobt der Bär", sagt Damde und prognostiziert: "Das werden für die Kolleginnen und Kollegen auf jeden Fall drei sehr heiße Monate."
Die Bahn bemüht sich derweil, zunächst einmal Freude zum Ausdruck zu bringen - "auf viele Fahrgäste, die die Attraktivität von Bahnen und Bussen für sich wieder oder neu entdecken", wie ein Bahnsprecher auf ZDFheute-Anfrage mitteilt.
Bahn verstärkt Angebot in Tourismus-Gebieten
Nutzerdatenbasierten Prognosen zufolge wollen etwa 30 Millionen Menschen ein Neun-Euro-Ticket kaufen. Um diese Fahrgäste gut an ihr Ziel zu bringen, will die Bahn im Juni, Juli und August bundesweit 50 zusätzliche Züge einsetzen – "vorrangig in touristischen Gebieten".
Dennoch könne es immer mal wieder vorkommen, dass ein Zug so voll ist, dass er nicht abfahren darf. "Dann ist es die Aufgabe des Zugpersonals dafür zu sorgen, dass einzelne Fahrgäste den Zug wieder verlassen", so ein Bahnsprecher.
Bahnpersonal unter Druck
"Wir hoffen sehr, dass es dazu aber möglichst selten kommt und setzen auch darauf, dass die Menschen vernünftig und rücksichtsvoll miteinander umgehen", fügt der Unternehmenssprecher an. Das Zugpersonal sei auf solche Situationen in jedem Fall vorbereitet.
Natürlich sei das Personal geschult und könne mit Drucksituationen umgehen, sagt auch Ralf Damde: "Aber was machen wir denn an Hotspots, wenn die Leute mit ihren Fahrrädern in den vollen Zug wollen? Wer entscheidet am Ende, ob der Radfahrer oder der Rollstuhlfahrer noch hineinkommt?" Da seien "Stress und Ärger programmiert.
700 zusätzliche Service- und Sicherheitskräfte
Die Bahn versucht dem durch mehr als 700 zusätzliche Service- und Sicherheitskräfte zu begegnen, die in den Sommermonaten den Ein- und Ausstieg koordinieren, Reisenden mit dem Gepäck oder Fahrrädern helfen und Auskünfte erteilen sollen.
Dies seien im Vergleich zu anderen Sommern "mehr als viermal so viele" zusätzliche Arbeitskräfte, so der Bahnsprecher. Zudem verweist das Unternehmen auf seine Angebote auf der Webseite, im DB Navigator oder auf der "DB-Streckenagent"-App, die auch im Regionalverkehr auf sehr ausgelastete Züge hinweisen.
Neun-Euro-Ticket-App ist jetzt erhältlich
Zwei Tage vor dem Start des Neun-Euro-Tickets hat die deutsche Verkehrsbranche auch eine bundesweite App auf den Markt gebracht. Sie soll vor allem Neukundinnen und Neukunden eine erste Orientierung bieten und den Fahrkartenverkauf erleichtern.
Im Motto "Deutschland steigt ein" klingt wohl der übergeordnete Branchenwunsch durch, dass möglichst viele Fahrgäste dem Öffentlichen Nahverkehr auch nach der großen sommerlichen Rabattaktion gewogen bleiben.
Mit Bus und Bahn einen Ausflug machen oder mit der S-Bahn zur Arbeit - für wen rechnet sich das geplante 9-Euro-Ticket - und für wen nicht? Fragen und Antworten: