Der "Blutsonntag" war Auslöser für Jahrzehnte in Terror und Gewalt in Nordirland. Mit einem Gedenkmarsch wurde am Sonntag an die Opfer erinnert. Die Lage im Land ist weiter fragil.
Mit einem Gedenkmarsch haben hunderte Menschen im nordirischen Londonderry an die Opfer des "Blutsonntags" vor 50 Jahren erinnert. Demonstranten und Angehörige folgten am Sonntag schweigend der Route von damals. Dabei trugen sie Fotos der Toten.
Am 30. Januar 1972 demonstrierten in Londonderry 20.000 Katholiken gegen Diskriminierung und für Bürgerrechte. Unbewaffnet, wie die britische Regierung mehr als zwei Jahrzehnte später einräumte.
Es kam zu Ausschreitungen, in deren Verlauf britische Fallschirmjäger 13 Demonstranten erschossen; fünf von ihnen von hinten. Mehrere Menschen wurden verletzt. Nur gegen einen der Soldaten wurde Jahrzehnte später Anklage erhoben; zu einem Verfahren kam es jedoch nicht.
Bürgerkrieg mit tausenden Toten
Aus den Unruhen von damals in Nordirland wurden nach dem "Bloody Sunday" blutige Straßenschlachten. Die britische Regierung entmachtete das nordirische Parlament. In der Folge erhielten die katholisch-republikanischen Terrororganisationen und die protestantisch-britischen Milizen erheblichen Zulauf.
Insgesamt kostete der Bürgerkrieg zwischen den meist katholischen Befürwortern einer Wiedervereinigung mit Irland und den überwiegend protestantischen Anhängern der Union Nordirlands mit Großbritannien 3.500 Menschen das Leben, etwa die Hälfte davon waren Zivilisten, darunter auch Kinder. [Der Nordirland-Konflikt - darum geht es.]
Erst seit dem sogenannten Karfreitagsabkommen von Belfast 1998 herrscht Frieden in Nordirland. Doch spätestens seit den Bildern von Krawallen wütender protestantischer Loyalisten und jugendlicher Randalierer vom April 2021 steht zu befürchten, dass der britische EU-Austritt die zerbrechliche soziale Aussöhnung gefährdet - und die Verwerfungen von damals wieder aufbrechen könnten.
Johnson: "Friedliche Zukunft für die Menschen aufbauen"
Das ist auch den Politikern aus Großbritannien und Irland bewusst. Der irische Premierminister Micheal Martin legte an einem Denkmal in der Grenzstadt Londonderry einen Kranz nieder. Der irische Präsident Michael D. Higgins sagte laut Redemanuskript in einer Videobotschaft: "Bloody Sunday ist nicht nur ein historisches Ereignis, aber bleibt ein Teil der lebendigen Erinnerung aller Iren."
Auch der britische Premierminister Boris Johnson erinnerte an den Bloody Sunday als einen der dunkelsten Tage des jahrzehntelangen Konflikts. "Wir müssen aus der Vergangenheit lernen, versöhnen und eine friedliche Zukunft für die Menschen in Nordirland aufbauen", twitterte er.
Kritiker werfen Johnson allerdings vor, kein Interesse an einer echten Aufarbeitung zu haben. Die Regierung in London plant ein Gesetz, das jegliche Strafverfolgung, Zivilprozesse oder auch nur öffentliche Untersuchungen im Zusammenhang mit dem Nordirlandkonflikt unmöglich machen soll.