Seit fast 60 Jahren schießt das Andøya-Space-Center Forschungs-Satelliten in den Orbit. Nun soll in der norwegischen Arktis ein neuer europäischer Weltraumbahnhof entstehen.
Norwegen ist bekannt für Exportprodukte wie Lachs und reichlich Öl und Gas, doch dass das Land in den vergangenen knapp 60 Jahren etwa 1.800 Forschungsraketen vom eigenen Space-Center auf der arktischen Insel Andøya in die Atmosphäre gestartet hat, wissen vor allem Insider.
In gut einem Jahr wollen sie ein paar Autominuten südwestlich des Andøya-Space-Centers eine neue Raketenbasis in die unendliche Weite der arktischen Insellandschaft gebaut haben: Statt Forschungsraketen sollen dort Raketen mit kommerzieller Ladung in den Orbit abheben.
Deutsche Start-ups wollen von Andøya ins All starten
Es geht um kleine Satelliten für unterschiedlichste zivile Zwecke. Deren Herstellung ist in den letzten Jahren wegen der fortschreitenden Digitalisierung immer günstiger geworden: Früher waren künstliche Erdtrabanten groß wie Busse, inzwischen sind sie in Ausmaß und Gewicht so geschrumpft, dass es nicht mehr riesiger Trägerrakete bedarf, um sie in eine Erdumlaufbahn zu bugsieren.
Das geht jetzt schon mit verhältnismäßig kleinen Einheiten, und macht das Geschäft interessant auch für deutsche Start-up-Unternehmen wie Isaraerospace: "Früher war das ein Geschäft ausschließlich für Großkonzerne, heutzutage haben wir Mittelständler oder Start-up-Unternehmen", erklärt Josef Fleischmann, CEO von Isaraerospace.
Standortvorteil Norwegen
Das Münchner Unternehmen will spätestens 2023 mit zweistufigen Raketen von Andøya aus kleine und mittelgroße Satelliten in den Orbit befördern. Mit Rocket Factory Augsburg (rfa) hat sich noch ein weiteres süddeutsches Raketen-Startup Kapazitäten auf der neuen kommerziellen Startrampe in Andøya gesichert, zu transportieren gibt es reichlich:
Die europäische Weltraumorganisation (Esa) feiert 50 Jahre Zusammenarbeit in der Raumfahrt. Die Esa ging 1975 aus den Organisationen Eldo und Esro hervor.
"Von Erdbeobachtungen über die Erkennung von Waldbränden und Unterstützungssystemen für autonomes Fahren, Kommunikationsdienstleistungen bis hin zu GPS aus dem niedrigen Erdorbit entwickelt sich hier ein immer größerer Markt, der gleichzeitig so viel Liquidität beinhaltet, dass so etwas auch finanziert wird", erklärt Jörn Spurmann, Chief Commercial Officer von rfa.
Beide Unternehmen haben sich für die Kooperation mit Norwegens neuer Startrampe entschieden, weil sie über eine günstige geographische Lage verfügt. Außerdem forciert der norwegische Staat den Ausbau der Weltraumindustrie und ist zu erheblichen Teilen sogar direkt oder indirekt an Andøya-Space beteiligt. In Oslo hat man erkannt, welches Potential in dieser Branche steckt:
Schweden, Portugal und Deutschland wollen mitspielen
Dieses Geschäft wollen die Norweger nicht allein den großen US-Playern wie SpaceX überlassen. Sie engagieren sich zielstrebig in dem Markt, der auch in Europa umkämpft ist: Startbasen in Schweden, Portugal und Schottland ringen ebenfalls um Marktanteile, verfügen aber nicht über die gleiche ideale geographische Situation wie Norwegen.
Das deutsche Vorhaben einer schwimmenden Raketenplattform in der Nordsee wird in der Branche zwar begrüßt, doch rechnet Jörn Spurmann von rfa mit mehrjährigen Machbarkeitsstudien, bevor eine Entscheidung über den Bau überhaupt erst getroffen werden kann.
Erste Testflüge in einem Jahr?
Da ist Norwegen mit seinen ehrgeizigen Plänen schon in gut einem Jahr erste Testflüge vom neuen Weltraumbahnhof zu ermöglichen, sehr viel attraktiver für die aufstrebende Weltraumbranche.
Noch heben von Andøya nur Forschungsraketen ab, wie zuletzt am 1. Dezember ein Projektil der US-Weltraumbehörde Nasa. Noch ziehen arktische Seeadler ungestört ihre Kreise, wo spätestens 2023 das neue Space Center in Betrieb gehen soll – die Aufträge mit den Baufirmen sollen in diesen Tagen unterschrieben werden.
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