In Odessa bereiten sich die Menschen darauf vor, dass ihre Stadt das nächste Ziel russischer Angriffe werden könnte. Die meisten sind entschlossen, Widerstand zu leisten.
Dort, wo noch vor wenigen Wochen reiche Touristen flanierten, vorbei an Luxusläden und schicken Cafés, versperrt jetzt eine Barrikade aus Beton und Stacheldraht, mit grünen Tarnnetzen überzogen, die Rishelievska Straße, deren Namen man nicht erkennen kann.
Straßenschilder in Odessa sind mit dunklem Plastik umwickelt, um zu verhindern, dass feindliche Agenten, die wahrscheinlich längst in der Stadt sind, sich orientieren können.
"Wir werden für unsere Freiheit kämpfen"
Der 23-jährige Ilja aus Kiew spricht perfektes Deutsch. Er hatte bis vor einigen Wochen noch geplant, nach seinem Studium in Wien als Übersetzer zu arbeiten. Jetzt steht er hier in Soldatenuniform und kontrolliert Odessas Anwohner, die ihre Ausweise zeigen müssen, wenn sie zu ihren Wohnungen möchten.
Ilja ist kein typischer Heldentyp. Ich möchte von ihm wissen, ob sie wirklich alle hier entschlossen sind zu bleiben, ob er sogar sein Leben riskieren wolle? "Ja", sagt Ilja, mehr traurig als mutig, "wir stehen hier und wir werden für unsere Freiheit kämpfen."
Seit drei Wochen lässt Wladimir Putin seine Raketen und Granaten über die Ukraine hageln, dass er vermeintlich von einer Regierung befreien will, die nach seinem Narrativ aus einer Bande drogensüchtiger Neonazis besteht.
In Odessa ist Russisch, anders als im Westen des Landes, für viele die Muttersprache. In der Ocean Bar, einem der wenigen Cafes, die noch geöffnet sind. Hier gibt es immer noch Latte Macchiato und Cappucino und wenn Dima, der Barkeeper, die italienische Maschine anwirft, dann könnte man fast glauben, es gäbe noch etwas wie Normalität.
"Wir rennen nicht davon"
Mit ihren wunderschönen alten Bauten, der Oper, der berühmten Potemkinschen Treppe und dem milden Klima ist die Schwarzmeermetropole auch für Russen immer ein Sehnsuchtsort gewesen. Werden sie auch das alles hier zerstören?
Ein paar Straßen weiter, im Food Market, einer zweistöckigen Kleinmarkthalle, hängen zwar noch immer Schilder von "Aperol Spritz" und "Odessa Pizza", aber Alkohol ist verboten und die Imbisse alle geschlossen. Der Markt ist jetzt ein Hilfszentrum. Sie packen Essen, warme Kleidung und Decken in Kartons. Jeden Tag verteilen sie die an Soldaten, Flüchtlinge und Hilfsbedürftige.
Inga, die bis vor Kurzem noch als Rechtsanwältin gearbeitet hat, ist jeden Tag hier, sie hat dunkle Ringe unter den Augen, die Haare zu einem unordentlichen Pferdeschwanz zusammengebunden. Der Schmerz setzt ihr sichtbar zu, wie so viele in diesen Tagen.
Das Verhältnis zu Russland sei langfristig gestört, sagt Inga: "Ihnen ist nichts heilig, sie werden alles tun, um uns zu zerstören, uns zu töten, uns zu ruinieren, das ist ihre Aufgabe. Aber wir versuchen jetzt alles, um uns auf ihre Besatzung vorzubereiten, auf ihren Einmarsch, ihnen einen guten Kampf zu liefern, sie zu stoppen und nicht zu erlauben, in unsere Stadt zu kommen, die wir so lieben."
Draußen müssen wir durch Panzersperren, mit gelber Sprühfarbe haben sie darauf geschrieben: "Russen, fickt euch."
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